MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Kapitel I: Einleitende Bestimmungen

Abschnitt 1: Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

Artikel 1: Gegenstand und Geltungsbereich

(1) Mit dieser Verordnung werden Regeln für das Inverkehrbringen, die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme von für den menschlichen Gebrauch bestimmten In-vitro-Diagnostika und deren Zubehör in der Union festgelegt. Diese Verordnung gilt ferner für in der Union durchgeführte Leistungsstudien, die diese In-vitro-Diagnostika und dieses Zubehör betreffen.

(2) Für die Zwecke dieser Verordnung werden In-vitro-Diagnostika und Zubehör für In-vitro-Diagnostika im Folgenden als „Produkte“ bezeichnet.

(3) Diese Verordnung gilt nicht für

a) Produkte für den allgemeinen Laborbedarf oder allein für Forschungszwecke bestimmte Produkte, es sei denn, sie sind aufgrund ihrer Merkmale vom Hersteller speziell für In-vitro-Untersuchungen bestimmt;

b) invasive zur Entnahme von Proben bestimmte Produkte oder Produkte, die zum Zweck der Probenahme direkt am menschlichen Körper angewendet werden;

c) auf internationaler Ebene zertifizierte Referenzmaterialien;

d) Materialien, die für externe Qualitätsbewertungsprogramme verwendet werden.

(4) Für Produkte, die beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme als integralen Bestandteil ein Medizinprodukt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2017/745 enthalten, gilt die genannte Verordnung. Die Anforderungen der vorliegenden Verordnung gelten für den Teil, der das In-vitro-Diagnostikum ausmacht.

(5) Diese Verordnung stellt eine spezielle Regelung der Union im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 2014/30/EU dar.

(6) Produkte, die auch Maschinen im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 22 sind, müssen — falls eine gemäß dieser Richtlinie relevante Gefährdung besteht — den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I dieser Richtlinie entsprechen, sofern diese Anforderungen spezifischer sind als die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I Kapitel II der vorliegenden Verordnung.

(7) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Richtlinie 2013/59/Euratom.

(8) Diese Verordnung berührt nicht das Recht eines Mitgliedstaats, die Verwendung bestimmter Arten von Produkten im Zusammenhang mit Aspekten, die nicht unter diese Verordnung fallen, einzuschränken.

(9) Diese Verordnung berührt nicht nationale Rechtsvorschriften in Bezug auf die Organisation des Gesundheitswesens oder die medizinische Versorgung und deren Finanzierung, etwa die Anforderung, dass bestimmte Produkte nur auf ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, die Anforderung, dass nur bestimmte Angehörige der Gesundheitsberufe oder bestimmte Gesundheitseinrichtungen bestimmte Produkte abgeben oder verwenden dürfen oder dass für ihre Verwendung eine spezielle Beratung durch Angehörige der Gesundheitsberufe vorgeschrieben ist.

(10) Diese Verordnung darf in keiner Weise die Pressefreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien einschränken, soweit diese Freiheiten in der Union und in den Mitgliedstaaten — insbesondere gemäß Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union — garantiert sind.

Artikel 2: Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. „Medizinprodukt“ bezeichnet ein Medizinprodukt im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2017/745;

2. „In-vitro-Diagnostikum“ bezeichnet ein Medizinprodukt, das als Reagenz, Reagenzprodukt, Kalibrator, Kontrollmaterial, Kit, Instrument, Apparat, Gerät, Software oder System — einzeln oder in Verbindung miteinander — vom Hersteller zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben, einschließlich Blut- und Gewebespenden, bestimmt ist und ausschließlich oder hauptsächlich dazu dient, Informationen zu einem oder mehreren der folgenden Punkte zu liefern

a) über physiologische oder pathologische Prozesse oder Zustände,

b) über kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen,

c) über die Prädisposition für einen bestimmten gesundheitlichen Zustand oder eine bestimmte Krankheit,

d) zur Feststellung der Unbedenklichkeit und Verträglichkeit bei den potenziellen Empfängern,

e) über die voraussichtliche Wirkung einer Behandlung oder die voraussichtlichen Reaktionen darauf oder

f) zur Festlegung oder Überwachung therapeutischer Maßnahmen.

Probenbehältnisse gelten als auch In-vitro-Diagnostika;

3. „Probenbehältnis“ bezeichnet ein luftleeres wie auch sonstiges Produkt, das von seinem Hersteller speziell dafür gefertigt wird, aus dem menschlichen Körper stammende Proben unmittelbar nach ihrer Entnahme aufzunehmen und im Hinblick auf eine In-vitro-Untersuchung aufzubewahren;

4. „Zubehör eines In-vitro-Diagnostikums“ bezeichnet einen Gegenstand, der zwar an sich kein In-vitro-Diagnostikum ist, aber vom Hersteller dazu bestimmt ist, zusammen mit einem oder mehreren bestimmten In-vitro-Diagnostika verwendet zu werden, und der speziell dessen/ deren Verwendung gemäß seiner/ihrer Zweckbestimmung(en) ermöglicht oder mit dem die medizinische Funktion des In-vitro-Diagnostikums/der In-vitro-Diagnostika im Hinblick auf dessen/deren Zweckbestimmung(en) gezielt und unmittelbar unterstützt werden soll;

5. „Produkt zur Eigenanwendung“ bezeichnet ein Produkt, das vom Hersteller zur Anwendung durch Laien bestimmt ist, einschließlich Produkte, die für Tests verwendet werden, die Laien mittels Diensten der Informationsgesellschaft angeboten werden;

6. „Produkt für patientennahe Tests“ bezeichnet ein Produkt, das nicht für die Eigenanwendung, wohl aber für die Anwendung außerhalb einer Laborumgebung, in der Regel in der Nähe des Patienten oder beim Patienten, durch einen Angehörigen der Gesundheitsberufe bestimmt ist;

7. „therapiebegleitendes Diagnostikum“ bezeichnet ein Produkt, das für die sichere und wirksame Verwendung eines dazugehörigen Arzneimittels wesentlich ist, um

a) Patienten vor und/oder während der Behandlung zu identifizieren, die mit der größten Wahrscheinlichkeit von dem dazugehörigen Arzneimittel profitieren, oder

b) Patienten vor und/oder während der Behandlung zu identifizieren, bei denen wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen infolge einer Behandlung mit dem dazugehörigen Arzneimittel besteht;

8. „generische Produktgruppe“ bezeichnet eine Gruppe von Produkten mit gleichen oder ähnlichen Zweckbestimmungen oder mit technologischen Gemeinsamkeiten, die allgemein, also ohne Berücksichtigung spezifischer Merkmale klassifiziert werden können;

9. „Einmalprodukt“ bezeichnet ein Produkt, das dazu bestimmt ist, für eine einzige Maßnahme verwendet zu werden;

10. „gefälschtes Produkt“ bezeichnet ein Produkt mit falschen Angaben zu seiner Identität und/oder seiner Herkunft und/oder seiner CE-Kennzeichnung oder den Dokumenten zu den CE-Kennzeichnungsverfahren. Diese Begriffsbestimmung erstreckt sich nicht auf die unbeabsichtigte Nichteinhaltung von Vorgaben und lässt Verstöße gegen die Rechte des geistigen Eigentums unberührt;

11. „Kit“ bezeichnet eine Gruppe von zusammen verpackten Komponenten, die zur Verwendung für die Durchführung einer spezifischen In-vitro-Untersuchung bestimmt sind, oder einen Teil davon;

12. „Zweckbestimmung“ bezeichnet die Verwendung, für die ein Produkt entsprechend den Angaben des Herstellers auf der Kennzeichnung, in der Gebrauchsanweisung oder dem Werbe- oder Verkaufsmaterial bzw. den Werbe- oder Verkaufsangaben oder seinen Angaben bei der Leistungsbewertung bestimmt ist;

13. „Kennzeichnung“ bezeichnet geschriebene, gedruckte oder grafisch dargestellte Informationen, die entweder auf dem Produkt selbst oder auf der Verpackung jeder Einheit oder auf der Verpackung mehrerer Produkte angebracht sind;

14. „Gebrauchsanweisung“ bezeichnet vom Hersteller zur Verfügung gestellte Informationen, in denen der Anwender über die Zweckbestimmung und korrekte Verwendung eines Produkts sowie über eventuell zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet wird;

15. „einmalige Produktkennung“ (Unique Device Identifier — UDI) bezeichnet eine Abfolge numerischer oder alphanumerischer Zeichen, die mittels international anerkannter Identifizierungs- und Kodierungsstandards erstellt wurde und die eine eindeutige Identifizierung einzelner Produkte auf dem Markt ermöglicht;

16. „Risiko“ bezeichnet die Kombination von Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und Schwere des Schadens;

17. „Nutzen-Risiko-Abwägung“ bezeichnet die Analyse aller Bewertungen des Nutzens und der Risiken, die für die bestimmungsgemäße Verwendung eines Produkts entsprechend der vom Hersteller angegebenen Zweckbestimmung von möglicher Relevanz sind;

18. „Kompatibilität“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts — einschließlich Software —, bei Verwendung zusammen mit einem oder mehreren anderen Produkten gemäß seiner Zweckbestimmung

a) seine Leistung zu erbringen, ohne dass seine bestimmungsgemäße Leistungsfähigkeit verloren geht oder beeinträchtigt wird, und/oder

b) integriert zu werden und/oder seine Funktion zu erfüllen, ohne dass eine Veränderung oder Anpassung von Teilen der kombinierten Produkte erforderlich ist, und/oder

c) konfliktfrei und ohne Interferenzen oder nachteilige Wirkungen in dieser Kombination verwendet zu werden;

19. „Interoperabilität“ bezeichnet die Fähigkeit von zwei oder mehr Produkten — einschließlich Software — desselben Herstellers oder verschiedener Hersteller,

a) Informationen auszutauschen und die ausgetauschten Informationen für die korrekte Ausführung einer konkreten Funktion ohne Änderung des Inhalts der Daten zu nutzen und/oder

b) miteinander zu kommunizieren und/oder

c) bestimmungsgemäß zusammenzuarbeiten;

20. „Bereitstellung auf dem Markt“ bezeichnet jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts, mit Ausnahme von Produkten für Leistungsstudien, zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit;

21. „Inverkehrbringen“ bezeichnet die erstmalige Bereitstellung eines Produkts, mit Ausnahme von Produkten für Leistungsstudien, auf dem Unionsmarkt;

22. „Inbetriebnahme“ bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem ein Produkt, mit Ausnahme von Produkten für Leistungsstudien, dem Endanwender als ein Erzeugnis zur Verfügung gestellt wird, das erstmals als gebrauchsfertiges Produkt entsprechend seiner Zweckbestimmung auf dem Unionsmarkt verwendet werden kann;

23. „Hersteller“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder als neu aufbereitet bzw. entwickeln, herstellen oder als neu aufbereiten lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet;

24. „Neuaufbereitung“ im Sinne der Herstellerdefinition bezeichnet die vollständige Rekonstruktion eines bereits in Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkts oder die Herstellung eines neuen Produkts aus gebrauchten Produkten mit dem Ziel, dass das Produkt den Anforderungen dieser Verordnung entspricht; dabei beginnt für die als neu aufbereiteten Produkte eine neue Lebensdauer;

25. „Bevollmächtigter“ bezeichnet jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die von einem außerhalb der Union ansässigen Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben in Erfüllung seiner aus dieser Verordnung resultierenden Verpflichtungen wahrzunehmen, und die diesen Auftrag angenommen hat;

26. „Importeur“ bezeichnet jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt;

27. „Händler“ bezeichnet jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs;

28. „Wirtschaftsakteur“ bezeichnet einen Hersteller, einen Bevollmächtigten, einen Importeur oder einen Händler;

29. „Gesundheitseinrichtung“ bezeichnet eine Organisation, deren Hauptzweck in der Versorgung oder Behandlung von Patienten oder der Förderung der öffentlichen Gesundheit besteht;

30. „Anwender“ bezeichnet jeden Angehörigen der Gesundheitsberufe oder Laien, der ein Produkt anwendet;

31. „Laie“ bezeichnet eine Person, die nicht über eine formale Ausbildung in dem einschlägigen Bereich des Gesundheitswesens oder dem medizinischen Fachgebiet verfügt;

32. „Konformitätsbewertung“ bezeichnet das Verfahren, nach dem festgestellt wird, ob die Anforderungen dieser Verordnung an ein Produkt erfüllt worden sind;

33. „Konformitätsbewertungsstelle“ bezeichnet eine Stelle, die Konformitätsbewertungstätigkeiten einschließlich Kalibrierungen, Prüfungen, Zertifizierungen und Kontrollen durchführt und dabei als Drittpartei tätig wird;

34. „Benannte Stelle“ bezeichnet eine Konformitätsbewertungsstelle, die gemäß dieser Verordnung benannt wurde;

35. „CE-Konformitätskennzeichnung“ oder „CE-Kennzeichnung“ bezeichnet eine Kennzeichnung, durch die ein Hersteller angibt, dass ein Produkt den einschlägigen Anforderungen genügt, die in dieser Verordnung oder in anderen Rechtsvorschriften der Union über die Anbringung der betreffenden Kennzeichnung festgelegt sind;

36. „klinischer Nachweis“ bezeichnet die klinischen Daten und die Ergebnisse der Leistungsbewertung zu einem Produkt, die in quantitativer und qualitativer Hinsicht ausreichend sind, um qualifiziert beurteilen zu können, ob das Produkt sicher ist und den angestrebten klinischen Nutzen bei bestimmungsgemäßer Verwendung nach Angabe des Herstellers erreicht;

37. „klinischer Nutzen“ bezeichnet die positiven Auswirkungen eines Produkts im Zusammenhang mit seiner Funktion, wie z. B. Screening, Überwachung, Diagnose oder Erleichterung der Diagnose von Patienten, oder eine positive Auswirkung auf das Patientenmanagement oder die öffentliche Gesundheit;

38. „wissenschaftliche Validität eines Analyten“ bezeichnet den Zusammenhang eines Analyten mit einem bestimmten klinischen oder physiologischen Zustand;

39. „Leistung eines Produkts“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, seine vom Hersteller angegebene Zweckbestimmung zu erfüllen; sie besteht in der Analyseleistung und gegebenenfalls der klinischen Leistung zur Erfüllung dieser Zweckbestimmung;

40. „Analyseleistung“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, einen bestimmten Analyten korrekt nachzuweisen oder zu messen;

41. „klinische Leistung“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, Ergebnisse zu liefern, die mit einem bestimmten klinischen Zustand oder physiologischen oder pathologischen Vorgang oder Zustand bei einer bestimmten Zielbevölkerung und bestimmten vorgesehenen Anwendern korrelieren;

42. „Leistungsstudie“ bezeichnet eine Studie zur Feststellung oder Bestätigung der Analyseleistung oder der klinischen Leistung eines Produkts;

43. „Leistungsstudienplan“ bezeichnet ein Dokument, in dem die Begründung, die Ziele, das Prüfungsdesign, die Methodik, die Überwachung, statistische Erwägungen, die Organisation und die Durchführung einer Leistungsstudie beschrieben werden;

44. „Leistungsbewertung“ bezeichnet eine Beurteilung und Analyse von Daten zur Feststellung oder Überprüfung der wissenschaftlichen Validität, der Analyseleistung und gegebenenfalls der klinischen Leistung eines Produkts;

45. „Produkt für Leistungsstudien“ bezeichnet ein Produkt, das von einem Hersteller zur Verwendung in einer Leistungsstudie bestimmt ist. Ein Produkt, das für eine Verwendung zu Forschungszwecken bestimmt ist und keine medizinische Zweckbestimmung hat, gilt nicht als Produkt für Leistungsstudien;

46. „interventionelle klinische Leistungsstudie“ bezeichnet eine klinische Leistungsstudie, bei der die Testergebnisse Auswirkungen auf Entscheidungen über das Patientenmanagement haben und/oder zur Orientierung der Behandlung verwendet werden;

47. „Prüfungsteilnehmer“ bezeichnet eine Person, die an einer Leistungsstudie teilnimmt und deren Probe(n) einer In-vitro-Untersuchung unter Verwendung eines Produkts für Leistungsstudien und/oder eines Kontrollzwecken dienenden Produkts unterzogen wird/werden;

48. „Prüfer“ bezeichnet eine für die Durchführung einer Leistungsstudie verantwortliche Person an einer Einrichtung, an der die Leistungsstudie durchgeführt wird;

49. „diagnostische Spezifität“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, zu erkennen, dass ein mit einer bestimmten Krankheit oder einem bestimmten gesundheitlichen Zustand verbundener Zielmarker nicht vorhanden ist;

50. „diagnostische Sensitivität“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, zu erkennen, dass ein mit einer bestimmten Krankheit oder einem bestimmten gesundheitlichen Zustand verbundener Zielmarker vorhanden ist;

51. „prädiktiver Wert“ bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem mithilfe des Produkts gewonnenen positiven Testergebnis den Zustand, der Gegenstand der Untersuchung ist, aufweist, bzw. dass eine Person mit einem mithilfe des Produkts gewonnenen negativen Testergebnis einen bestimmten Zustand nicht aufweist;

52. „positiver prädiktiver Wert“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, für ein bestimmtes Attribut in einer bestimmten Bevölkerung echt-positive Ergebnisse von falsch-positiven Ergebnissen zu trennen;

53. „negativer prädiktiver Wert“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts, für ein bestimmtes Attribut in einer bestimmten Bevölkerung echt-negative Ergebnisse von falsch-negativen Ergebnissen zu trennen;

54. „Likelihood-Verhältnis“ bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Ergebnis bei einer Person mit dem klinischen oder physiologischen Zielzustand eintritt, im Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit, mit der das gleiche Ergebnis bei einer Person eintritt, bei der der betreffende klinische oder physiologische Zustand nicht vorliegt;

55. „Kalibrator“ bezeichnet ein Messreferenzmaterial zur Kalibrierung eines Produkts;

56. „Kontrollmaterial“ bezeichnet eine Substanz, ein Material oder einen Gegenstand, die bzw. der von ihrem bzw. seinem Hersteller für die Verwendung zur Prüfung der Leistungsmerkmale eines Produkts vorgesehen ist;

57. „Sponsor“ bezeichnet jede Person, jedes Unternehmen, jede Einrichtung oder jede Organisation, die bzw. das die Verantwortung für die Einleitung, das Management und die Aufstellung der Finanzierung der Leistungsstudie übernimmt;

58. „Einwilligung nach Aufklärung“ bezeichnet eine aus freien Stücken erfolgende, freiwillige Erklärung der Bereitschaft, an einer bestimmten Leistungsstudie teilzunehmen, durch einen Prüfungsteilnehmer, nachdem dieser über alle Aspekte der Leistungsstudie, die für die Entscheidungsfindung bezüglich der Teilnahme relevant sind, aufgeklärt wurde, oder im Falle von Minderjährigen und nicht einwilligungsfähigen Personen eine Genehmigung oder Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters, sie in die Leistungsstudie aufzunehmen;

59. „Ethik-Kommission“ bezeichnet ein in einem Mitgliedstaat eingerichtetes unabhängiges Gremium, das gemäß dem Recht dieses Mitgliedstaats eingesetzt wurde und dem die Befugnis übertragen wurde, Stellungnahmen für die Zwecke dieser Verordnung unter Berücksichtigung der Standpunkte von Laien, insbesondere Patienten oder Patientenorganisationen, abzugeben;

60. „unerwünschtes Ereignis“ bezeichnet ein nachteiliges medizinisches Ereignis, eine nicht sachgerechte Entscheidung zum Patientenmanagement, eine nicht vorgesehene Erkrankung oder Verletzung oder nachteilige klinische Symptome, einschließlich anomaler Laborbefunde, bei Prüfungsteilnehmern, Anwendern oder anderen Personen im Rahmen einer Leistungsstudie, auch wenn diese nicht mit dem Produkt für Leistungsstudien zusammenhängen;

61. „schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis“ bezeichnet ein unerwünschtes Ereignis, das eine der nachstehenden Folgen hatte:

a) eine Entscheidung zum Patientenmanagement, die zum Tod oder zu einer unmittelbar lebensbedrohenden Situation für die Testperson oder zum Tod ihrer Nachkommen geführt hat,

b) Tod,

c) schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands der Testperson oder des Empfängers der getesteten Spenden oder Materialien, die ihrerseits eine der nachstehenden Folgen hatte:

i) lebensbedrohliche Erkrankung oder Verletzung,

ii) bleibender Körperschaden oder dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

iii) stationäre Behandlung oder Verlängerung der stationären Behandlung des Patienten,

iv) medizinische oder chirurgische Intervention zur Verhinderung einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung oder eines bleibenden Körperschadens oder einer dauerhaften Beeinträchtigung einer Körperfunktion,

v) chronische Erkrankung,

d) Fötale Gefährdung, Tod des Fötus oder kongenitale körperliche oder geistige Beeinträchtigungen oder Geburtsfehler;

62. „Produktmangel“ bezeichnet eine Unzulänglichkeit bezüglich Identifizierung, Qualität, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit oder Leistung eines Produkts für Leistungsstudien, einschließlich Fehlfunktionen, Anwendungsfehlern oder Unzulänglichkeit von vom Hersteller bereitgestellten Informationen;

63. „Überwachung nach dem Inverkehrbringen“ bezeichnet alle Tätigkeiten, die Hersteller in Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsakteuren durchführen, um ein Verfahren zur proaktiven Erhebung und Überprüfung von Erfahrungen, die mit den von ihnen in Verkehr gebrachten, auf dem Markt bereitgestellten oder in Betrieb genommenen Produkten gewonnen werden,einzurichten und auf dem neuesten Stand zu halten, mit dem ein etwaiger Bedarf an unverzüglich zu ergreifenden Korrektur- oder Präventivmaßnahmen festgestellt werden kann;

64. „Marktüberwachung“ bezeichnet die von den Behörden durchgeführten Tätigkeiten und von ihnen getroffenen Maßnahmen, durch die geprüft und sichergestellt werden soll, dass die Produkte mit den Anforderungen der einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union übereinstimmen und keine Gefährdung für die Gesundheit, Sicherheit oder andere im öffentlichen Interesse schützenswerte Rechtsgüter darstellen;

65. „Rückruf“ bezeichnet jede Maßnahme, die auf Erwirkung der Rückgabe eines dem Endverbraucher schon bereitgestellten Produkts abzielt;

66. „Rücknahme“ bezeichnet jede Maßnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein in der Lieferkette befindliches Produkt weiterhin auf dem Markt bereitgestellt wird;

67. „Vorkommnis“ bezeichnet eine Fehlfunktion oder Verschlechterung der Eigenschaften oder Leistung eines bereits auf dem Markt bereitgestellten Produkts, einschließlich Anwendungsfehlern aufgrund ergonomischer Merkmale, sowie eine Unzulänglichkeit der vom Hersteller bereitgestellten Informationen oder einen Schaden infolge einer medizinischen Entscheidung oder einer Maßnahme, die auf der Grundlage der von dem Produkt gelieferten Informationen oder Ergebnisse getroffen bzw. nicht getroffen wurde;

68. „schwerwiegendes Vorkommnis“ bezeichnet ein Vorkommnis, das direkt oder indirekt eine der nachstehenden Folgen hatte, hätte haben können oder haben könnte:

a) den Tod eines Patienten, Anwenders oder einer anderen Person,

b) die vorübergehende oder dauerhafte schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, Anwenders oder anderer Personen,

c) eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit;

69. „schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ bezeichnet jedes Ereignis, das das unmittelbare Risiko des Todes, einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einer schweren Erkrankung, die sofortige Abhilfemaßnahmen erfordert, bergen könnte, und das eine signifikante Morbidität oder Mortalität bei Menschen verursachen kann oder das für einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit ungewöhnlich oder unerwartet ist;

70. „Korrekturmaßnahme“ bezeichnet eine Maßnahme zur Beseitigung der Ursache eines potenziellen oder vorhandenen Mangels an Konformität oder einer sonstigen unerwünschten Situation;

71. „Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld“ bezeichnet eine von einem Hersteller aus technischen oder medizinischen Gründen ergriffene Korrekturmaßnahme zur Verhinderung oder Verringerung des Risikos eines schwerwiegenden Vorkommnisses im Zusammenhang mit einem auf dem Markt bereitgestellten Produkt;

72. „Sicherheitsanweisung im Feld“ bezeichnet eine von einem Hersteller im Zusammenhang mit einer Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld an Anwender oder Kunden übermittelte Mitteilung;

73. „harmonisierte Norm“ bezeichnet eine europäische Norm im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012;

74. „gemeinsame Spezifikationen“ (im Folgenden „GS“) bezeichnet ein Bündel technischer und/oder klinischer Anforderungen, die keine Norm sind und deren Befolgung es ermöglicht, die für ein Produkt, ein Verfahren oder ein System geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten.

Abschnitt 2: Rechtlicher Status von Produkten und Beratung

Artikel 3: Rechtlicher Status eines Produkts

(1) Die Kommission legt auf ein hinreichend begründetes Ersuchen eines Mitgliedstaats nach Anhörung der gemäß Artikel 103 der Verordnung (EU) 2017/745 eingesetzten Koordinierungsgruppe Medizinprodukte mittels Durchführungsrechtsakten fest, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Kategorie oder Gruppe von Produkten ein „In-vitro-Diagnostikum“ oder „Zubehör eines In-vitro-Diagnostikums“ darstellt. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 107 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Prüfverfahren erlassen.

(2) Die Kommission kann auch aus eigener Initiative nach Anhörung der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte mittels Durchführungsrechtsakten über die Fragen nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels entscheiden. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 107 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

(3) Die Kommission sorgt dafür, dass die Mitgliedstaaten Fachwissen über In-vitro-Diagnostika, Medizinprodukte, Arzneimittel, menschliche Gewebe und Zellen, kosmetische Mittel, Biozide, Lebensmittel sowie, sofern erforderlich, andere Produkte zur Bestimmung des geeigneten rechtlichen Status eines Produkts, einer Produktkategorie oder -gruppe austauschen.

(4) Bei den Beratungen über den möglichen rechtlichen Status von Produkten, bei denen es sich auch ganz oder teilweise um Arzneimittel, menschliche Gewebe und Zellen, Biozide oder Lebensmittel handelt, sorgt die Kommission bei Bedarf dafür, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die Europäische Chemikalienagentur und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in angemessenem Umfang gehört werden.

Artikel 4: Genetische Informationen, Beratung und Einwilligung nach Aufklärung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen ein Gentest bei Einzelpersonen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung gemäß Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates 23 für die medizinischen Zwecke der Diagnostik, der Verbesserung der Behandlung oder der Durchführung prädiktiver oder pränataler Tests durchgeführt wird, der Testperson oder gegebenenfalls ihrem gesetzlichen Vertreter die einschlägigen Informationen über das Wesen, die Bedeutung und die Folgen des Gentests, soweit angebracht, zur Verfügung gestellt werden.

(2) Im Rahmen der in Absatz 1 genannten Verpflichtungen sorgen die Mitgliedstaaten insbesondere dafür, dass es im Falle der Durchführung von Gentests angemessenen Zugang zu Beratung gibt, bei der Informationen über die genetische Veranlagung für Krankheitszustände und/oder Krankheiten, die nach derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik allgemein als nicht behandelbar gelten, bereitgestellt werden.

(3) Absatz 2 findet keine Anwendung in Fällen, in denen die Diagnose eines gesundheitlichen Zustands und/oder einer Krankheit, unter der die getestete Einzelperson bekanntermaßen bereits leidet, durch einen Gentest bestätigt wird, oder in Fällen, in denen ein therapiebegleitendes Diagnostikum verwendet wird.

(4) Dieser Artikel hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Maßnahmen auf nationaler Ebene einzuführen oder aufrechtzuerhalten, die Patienten besser schützen, spezifischer sind oder die Einwilligung nach Aufklärung betreffen.

Stand: 13. März 2023