MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Anhang IX: Konformitätsbewertung auf der Grundlage eines Qualitätsmanagementsystems und einer Bewertung der technischen Dokumentation

Kapitel I: Qualitätsmanagementsystem

1.   Der Hersteller richtet ein Qualitätsmanagementsystem gemäß Artikel 10 Absatz 8 ein, das er dokumentiert und umsetzt und für dessen Wirksamkeit während des gesamten Lebenszyklus der betroffenen Produkte er Sorge trägt. Der Hersteller gewährleistet die Anwendung des Qualitätsmanagementsystems nach Maßgabe des Abschnitts 2; er unterliegt Audits gemäß den Abschnitten 2.3 und 2.4 sowie der Überwachung gemäß Abschnitt 3.

2. Bewertung des Qualitätsmanagementsystems

2.1.   Der Hersteller beantragt bei einer Benannten Stelle die Bewertung seines Qualitätsmanagementsystems. Der Antrag enthält

  • den Namen des Herstellers und die Anschrift seiner eingetragenen Niederlassung und etwaiger weiterer Fertigungsstätten, die Teil des Qualitätsmanagementsystems sind, und wenn der Antrag des Herstellers durch seinen Bevollmächtigten eingereicht wird, auch den Namen des Bevollmächtigten und die Anschrift der eingetragenen Niederlassung des Bevollmächtigten,
  • alle einschlägigen Angaben über die Produkte oder die Produktgruppen, die Gegenstand des Qualitätsmanagementsystems sind,
  • eine schriftliche Erklärung, dass bei keiner anderen Benannten Stelle ein Parallelantrag zu demselben Qualitätsmanagementsystem für dieses Produkt eingereicht wurde, oder Informationen über etwaige frühere Anträge zu demselben Qualitätsmanagementsystem für dieses Produkt,
  • den Entwurf einer EU-Konformitätserklärung gemäß Artikel 17 und Anhang IV für das von dem Konformitätsbewertungsverfahren erfasste Produktmodell,
  • die Dokumentation über das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers,
  • eine dokumentierte Beschreibung der Verfahren zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Qualitätsmanagementsystem ergeben und die in dieser Verordnung vorgeschrieben sind, und die Zusicherung des betreffenden Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • eine Beschreibung der Verfahren, mit denen sichergestellt wird, dass das Qualitätsmanagementsystem geeignet und wirksam bleibt, und die Zusicherung des Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • die Dokumentation über das System des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen gegebenenfalls über den Plan für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen und die Verfahren, mit denen die Einhaltung der Verpflichtungen sichergestellt wird, die sich aus den in den Artikeln 82 bis 87 dargelegten Vigilanz-Bestimmungen ergeben,
  • eine Beschreibung der zur Aktualisierung des Systems zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen eingesetzten Verfahren und gegebenenfalls des Plans für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen und der Verfahren, mit denen die Einhaltung der Verpflichtungen sichergestellt wird, die sich aus den in den Artikeln 82 bis 87 dargelegten Vigilanz-Bestimmungen ergeben, sowie die Zusicherung des Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • die Dokumentation über den Leistungsbewertungsplan und
  • eine Beschreibung der geltenden Verfahren für die Aktualisierung des Leistungsbewertungsplans unter Berücksichtigung des neuesten Stands der Technik.

2.2.   Durch die Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems wird die Einhaltung dieser Verordnung sichergestellt. Alle Einzelheiten, Anforderungen und Vorkehrungen, die der Hersteller für sein Qualitätsmanagementsystem zugrunde legt, werden in Form eines Qualitätshandbuchs und schriftlicher Grundsätze und Verfahren wie etwa Qualitätssicherungsprogramme, -pläne und -berichte systematisch und geordnet dokumentiert.

Darüber hinaus umfassen die für die Bewertung des Qualitätsmanagementsystems eingereichten Unterlagen eine angemessene Beschreibung insbesondere der folgenden Aspekte:

a) Qualitätsziele des Herstellers;

b) Organisation des Unternehmens, insbesondere

  • organisatorischer Aufbau mit der Verteilung der Zuständigkeiten des Personals hinsichtlich kritischer Verfahren, Zuständigkeiten und organisatorischer Befugnisse des Managements,
  • Methoden zur Überwachung, ob das Qualitätsmanagementsystem effizient funktioniert und insbesondere ob es sich zur Sicherstellung der angestrebten Auslegungs- und Produktqualität eignet, einschließlich der Kontrolle über nichtkonforme Produkte,
  • falls Auslegung, Herstellung und/oder abschließende Prüfung und Erprobung der Produkte oder von Bestandteilen dieser Produkte durch eine andere Partei erfolgen: Methoden zur Überwachung, ob das Qualitätsmanagementsystem effizient funktioniert und insbesondere Art und Umfang der Kontrollen, denen diese Partei unterzogen wird,
  • falls der Hersteller keine eingetragene Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, den Mandatsentwurf für die Benennung eines Bevollmächtigten und eine Absichtserklärung des Bevollmächtigten, das Mandat anzunehmen;

c)

Verfahren und Techniken zur Überwachung, Überprüfung, Validierung und Kontrolle der Produktauslegung und die entsprechende Dokumentation sowie die aus diesen Verfahren und Techniken hervorgehenden Daten und Aufzeichnungen. Diese Verfahren und Techniken haben speziell Folgendes zum Gegenstand:

  • das Konzept zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften, einschließlich der Prozesse zur Feststellung der einschlägigen rechtlichen Anforderungen, Qualifizierung, Klassifizierung, Handhabung von Äquivalenzen, Wahl und Einhaltung der Konformitätsbewertungsverfahren,
  • die Bestimmung relevanter grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen und Lösungen für die Erfüllung dieser Anforderungen unter Berücksichtigung anwendbarer GS und — sofern diese Option gewählt wurde — harmonisierter Normen,
  • das Risikomanagement gemäß Anhang I Abschnitt 3,
  • die Leistungsbewertung gemäß Artikel 56 und Anhang XIII, einschließlich der Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen,
  • die Lösungen für die Erfüllung der relevanten spezifischen Anforderungen an Auslegung und Herstellung einschließlich einer geeigneten vorklinischen Bewertung, insbesondere der Anforderungen gemäß Anhang I Kapitel II,
  • die Lösungen für die Erfüllung der relevanten spezifischen Anforderungen an die zusammen mit dem Produkt zu liefernden Informationen, insbesondere der Anforderungen gemäß Anhang I Kapitel III,
  • die Verfahren zur Produktidentifizierung, die anhand von Zeichnungen, Spezifikationen oder sonstigen einschlägigen Unterlagen auf jeder Herstellungsstufe festgelegt und auf dem neuesten Stand gehalten werden, und
  • die Handhabung von Änderungen der Auslegung oder des Qualitätsmanagementsystems;

d) Kontroll- und Qualitätssicherungstechniken auf der Ebene der Herstellung, insbesondere die Verfahren und Methoden, die anzuwenden sind, insbesondere im Hinblick auf die Sterilisation, und die relevanten Unterlagen, und

e) geeignete Versuche und Prüfungen, die vor, während und nach der Herstellung vorzunehmen sind, die Häufigkeit, mit der sie durchzuführen sind, und die zu verwendenden Prüfgeräte; die Kalibrierung dieser Prüfgeräte wird so vorgenommen, dass sie angemessen nachvollziehbar ist.

Außerdem gewähren die Hersteller den Benannten Stellen Zugang zu der in den Anhängen II und III genannten technischen Dokumentation.

2.3. Audit

Die Benannte Stelle führt ein Audit des Qualitätsmanagementsystems durch, um festzustellen, ob es den Anforderungen nach Abschnitt 2.2 entspricht. Wendet der Hersteller eine harmonisierte Norm oder eine GS für Qualitätsmanagementsysteme an, so bewertet die Benannte Stelle die Konformität mit diesen Normen oder dieser GS. Die Benannte Stelle geht davon aus, dass ein Qualitätsmanagementsystem, das den einschlägigen harmonisierten Normen oder GS genügt, auch die von diesen Normen oder GS erfassten Anforderungen erfüllt, sofern sie nicht hinreichend begründet, dass dies nicht der Fall ist.

Mindestens ein Mitglied des Auditteams der Benannten Stelle verfügt über Erfahrung mit der Bewertung der betreffenden Technologie gemäß Anhang VII Abschnitte 4.3 bis 4.5. Ist diese Erfahrung nicht ohne Weiteres ersichtlich oder anwendbar, liefert die Benannte Stelle eine dokumentierte Begründung für die Zusammensetzung dieses Teams. Das Bewertungsverfahren schließt ein Audit an den Betriebsstätten des Herstellers und gegebenenfalls den Betriebsstätten der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer ein, um die Herstellung und weitere relevante Prozesse zu überprüfen.

Darüber hinaus wird bei Produkten der Klassen B und C zusammen mit der Bewertung des Qualitätsmanagementsystems auch eine Bewertung der technischen Dokumentation für auf einer repräsentativen Basis ausgewählte Produkte gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 4 vorgenommen. Bei der Auswahl repräsentativer Stichproben berücksichtigt die Benannte Stelle die von der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte gemäß Artikel 99 ausgearbeiteten veröffentlichten Leitlinien und insbesondere die technologische Neuartigkeit, die möglichen Auswirkungen auf die Patienten und die medizinische Standardpraxis, Ähnlichkeiten in der Auslegung, Technologie, Herstellungs- und gegebenenfalls Sterilisationsverfahren, die Zweckbestimmung und die Ergebnisse aller relevanten früheren Bewertungen z. B. im Hinblick auf die physikalischen, chemischen, biologischen oder klinischen Eigenschaften, die gemäß dieser Verordnung durchgeführt wurden. Die betreffende Benannte Stelle dokumentiert ihre Begründung für die gewählten Stichproben.

Falls das Qualitätsmanagementsystem den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Qualitätsmanagementbescheinigung aus. Die Benannte Stelle teilt dem Hersteller ihre Entscheidung zur Ausstellung der Bescheinigung mit. Die Entscheidung enthält auch die Ergebnisse des Audits und einen mit Gründen versehenen Bericht.

2.4.   Der betreffende Hersteller informiert die Benannte Stelle, die das Qualitätsmanagementsystem genehmigt hat, über geplante wesentliche Änderungen am Qualitätsmanagementsystem oder der hiervon erfassten Produktpalette. Die Benannte Stelle bewertet die vorgeschlagenen Änderungen, stellt fest, ob zusätzliche Audits erforderlich sind, und prüft, ob das Qualitätsmanagementsystem nach diesen Änderungen den Anforderungen gemäß Abschnitt 2.2 noch entspricht. Sie informiert den Hersteller über ihre Entscheidung und übermittelt ihm dabei die Ergebnisse der Bewertung und gegebenenfalls die Ergebnisse der zusätzlichen Audits. Die Genehmigung einer wesentlichen Änderung am Qualitätsmanagementsystem oder der hiervon erfassten Produktpalette wird in Form eines Nachtrags zur EU-Qualitätsmanagementbescheinigung erteilt.

3. Überwachungsbewertung

3.1.   Mit der Überwachung soll sichergestellt werden, dass der Hersteller die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätsmanagementsystem ergeben, ordnungsgemäß einhält.

3.2.   Der Hersteller gestattet der Benannten Stelle die Durchführung aller erforderlichen Audits, einschließlich Vor-Ort-Audits, und stellt ihr alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung, insbesondere:

  • die Dokumentation über sein Qualitätsmanagementsystem,
  • die Dokumentation über alle Erkenntnisse und Ergebnisse, die bei der Anwendung des Plans zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen einschließlich des Plans für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen bei einer repräsentativen Stichprobe von Produkten und der in den Artikeln 82 bis 87 festgelegten Vigilanz-Bestimmungen gewonnen wurden,
  • die Daten, die in dem die Auslegung betreffenden Teil des Qualitätsmanagementsystems vorgesehen sind, wie z. B. Ergebnisse von Analysen, Berechnungen, Tests und für das Risikomanagement gewählte Lösungen gemäß Anhang I Abschnitt 4,
  • die Daten, die in dem die Herstellung betreffenden Teil des Qualitätsmanagementsystems vorgesehen sind, wie z. B. Kontrollberichte, Prüf- und Eichdaten, Berichte über die Qualifikation des betreffenden Personals usw.

3.3.   Die Benannten Stellen führen regelmäßig — mindestens alle 12 Monate — geeignete Audits und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der betreffende Hersteller das genehmigte Qualitätsmanagementsystem und den Plan zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen anwendet. Diese Audits und Bewertungen schließen Audits in den Betriebsstätten des Herstellers und gegebenenfalls den Betriebsstätten der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer ein. Bei diesen Vor-Ort-Audits prüft die Benannte Stelle erforderlichenfalls, ob das Qualitätsmanagementsystem ordnungsgemäß funktioniert, oder lässt solche Prüfungen durchführen. Die Benannte Stelle stellt dem Hersteller einen Bericht über die Überwachungsaudits und gegebenenfalls über die vorgenommenen Prüfungen zur Verfügung.

3.4.   Die Benannte Stelle führt nach dem Zufallsprinzip — mindestens einmal alle fünf Jahre — am Standort des Herstellers und gegebenenfalls der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer unangekündigte Audits durch, die mit der regelmäßigen Überwachungsbewertung gemäß Abschnitt 3.3 kombiniert oder zusätzlich zu dieser Überwachungsbewertung durchgeführt werden können. Die Benannte Stelle erstellt einen Plan für diese unangekündigten Vor-Ort-Audits, der dem Hersteller jedoch nicht mitgeteilt wird.

Im Rahmen solcher unangekündigten Vor-Ort-Audits prüft die Benannte Stelle eine angemessene Stichprobe der hergestellten Produkte oder eine angemessene Stichprobe aus dem Herstellungsprozess, um festzustellen, ob das hergestellte Produkt mit der technischen Dokumentation übereinstimmt. Vor den unangekündigten Vor-Ort-Audits legt die Benannte Stelle die relevanten Probenahmekriterien und das Testverfahren fest.

Anstelle oder zusätzlich zu Probenahmen gemäß Absatz 2 stellen die Benannten Stellen Stichproben von auf dem Markt vorhandenen Produkten zusammen, um zu prüfen, ob das hergestellte Produkt mit der technischen Dokumentation übereinstimmt. Vor Zusammenstellung der Stichprobe legt die betreffende Benannte Stelle die relevanten Probenahmekriterien und das Testverfahren fest.

Die Benannte Stelle übermittelt dem betreffenden Hersteller einen Bericht über das Vor-Ort-Audit, in dem gegebenenfalls das Ergebnis der Stichprobenprüfung enthalten ist.

3.5.   Bei Produkten der Klasse C umfasst die Überwachungsbewertung zudem eine Bewertung der technischen Dokumentation des betreffenden Produkts oder der betreffenden Produkte gemäß den Abschnitten 4.4 bis 4.8 auf der Grundlage weiterer repräsentativer Stichproben, die in Übereinstimmung mit der von der Benannten Stelle gemäß Abschnitt 2.3 Absatz 3 dokumentierten Begründung ausgewählt werden.

3.6.   Die Benannten Stellen stellen sicher, dass das Bewertungsteam dergestalt zusammengesetzt ist, dass es aufgrund seiner Zusammensetzung ausreichend Erfahrung mit der Bewertung der betreffenden Produkte, Systeme und Verfahren aufweist und fortwährende Objektivität und Neutralität gewährleistet; dazu gehört ein turnusmäßiger Wechsel der Mitglieder des Bewertungsteams in angemessenen Zeitabständen. Ein leitender Prüfer sollte generell nicht länger als drei Jahre in Folge Audits bei demselben Hersteller leiten bzw. sich an diesen beteiligen.

3.7.   Stellt die Benannte Stelle Abweichungen zwischen der aus der Produktion oder vom Markt entnommenen Stichprobe und den in der technischen Dokumentation oder der genehmigten Auslegung beschriebenen Spezifikationen fest, so setzt sie die jeweilige Bescheinigung aus, widerruft sie oder versieht sie mit Einschränkungen.

Kapitel II: Bewertung der technischen Dokumentation

4. Bewertung der technischen Dokumentation der Produkte der Klassen B, C und D und Chargenuntersuchung bei Produkten der Klasse D

4.1.   Zusätzlich zu der Verpflichtung gemäß Abschnitt 2 stellt der Hersteller von Produkten der Klasse D bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation für das Produkt, das er auf den Markt zu bringen oder in Betrieb zu nehmen beabsichtigt und das unter das Qualitätsmanagementsystem gemäß Abschnitt 2 fällt.

4.2.   Aus dem Antrag gehen die Auslegung, die Herstellung und die Leistung des betreffenden Produkts hervor. Er umfasst die technische Dokumentation gemäß den Anhängen II und III.

Bei Produkten zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests umfasst der Antrag zudem die in Abschnitt 5.1 Buchstabe b genannten Elemente.

4.3.   Die Benannte Stelle setzt zur Prüfung der technischen Dokumentation Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der Bewertung der betreffenden Technologien und Produkte und der Bewertung des klinischen Nachweises verfügt. Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch zusätzliche Tests oder weitere Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den maßgeblichen Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann. Die Benannte Stelle führt angemessene physische Kontrollen oder Laboruntersuchungen bezüglich des Produkts durch oder fordert den Hersteller zur Durchführung solcher Tests auf.

4.4.   Die Benannte Stelle überprüft die vom Hersteller im Rahmen des Berichts über die Leistungsbewertung vorgelegten Daten zum klinischen Nachweis und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Leistungsbewertung. Für die Zwecke dieser Überprüfung setzt die Benannte Stelle bei ihr beschäftigte Produktprüfer mit ausreichendem klinischen Fachwissen ein; dazu gehören auch externe klinische Experten mit unmittelbarer aktueller Erfahrung im Zusammenhang mit der klinischen Anwendung des betreffenden Produkts.

4.5.   Stützt sich der klinische Nachweis ganz oder teilweise auf Daten zu Produkten, die als gleichwertig mit dem zu bewertenden Produkt dargestellt werden, so prüft die Benannte Stelle unter Berücksichtigung von Faktoren wie neuen Indikationen oder Innovationen, ob die Verwendung dieser Daten angemessen ist. Sie dokumentiert eindeutig ihre Ergebnisse hinsichtlich der behaupteten Gleichartigkeit sowie der Relevanz und Eignung der Daten für einen Konformitätsnachweis.

4.6.   Die Benannte Stelle überprüft die Angemessenheit des klinischen Nachweises und der Leistungsbewertung sowie die Ergebnisse, zu denen der Hersteller hinsichtlich der Konformität mit den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gelangt ist. Überprüft werden dabei unter anderem die Angemessenheit der Nutzen-Risiko-Abwägung, das Risikomanagement, die Gebrauchsanweisung, die Schulung der Anwender und der Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen sowie gegebenenfalls die Frage, ob der vorgeschlagene Plan für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen notwendig und angemessen ist.

4.7.   Die Benannte Stelle prüft auf der Grundlage ihrer Beurteilung des klinischen Nachweises die Leistungsbewertung und die Nutzen-Risiko-Abwägung sowie die Frage, ob konkrete Etappenziele festgelegt werden müssen, um ihr eine Überprüfung von Aktualisierungen des klinischen Nachweises, die sich aus den Daten aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen und der Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen ergeben, zu ermöglichen.

4.8.   Die Benannte Stelle dokumentiert das Ergebnis ihrer Bewertung klar und deutlich in dem Bericht über die Begutachtung der Leistungsbewertung.

4.9.   Vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ersucht die Benannte Stelle ein gemäß Artikel 100 benanntes EU-Referenzlaboratorium zu überprüfen, ob das Produkt die vom Hersteller angegebene Leistung erbringt und den GS, sofern solche existieren, oder anderen vom Hersteller gewählten Lösungen entspricht, die ein mindestens gleichwertiges Sicherheits- und Leistungsniveau gewährleisten. Die Überprüfung umfasst u. a. Laboruntersuchungen des EU-Referenzlaboratoriums gemäß Artikel 48 Absatz 5.

Darüber hinaus konsultiert die Benannte Stelle in den in Artikel 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung genannten Fällen die einschlägigen Experten gemäß Artikel 106 der Verordnung (EU) 2017/745 nach dem Verfahren des Artikels 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung zum Bericht des Herstellers über die Leistungsbewertung.

Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

Das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums und gegebenenfalls die Standpunkte der gemäß dem Verfahren nach Artikel 48 Absatz 6 konsultierten Experten sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums und gegebenenfalls die Standpunkte der gemäß Artikel 48 Absatz 6 konsultierten Experten. Die Benannte Stelle stellt keine Bescheinigung aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums negativ ist.

4.10.   Die Benannte Stelle übermittelt dem Hersteller einen Bericht über die Bewertung der technischen Dokumentation einschließlich eines Berichts über die Begutachtung der Leistungsbewertung. Falls das Produkt den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus. Die Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Bewertung der technischen Dokumentation, die Bedingungen für die Gültigkeit der Bescheinigung, die zur Identifizierung des genehmigten Produkts erforderlichen Angaben sowie gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.

4.11.   Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn diese Änderungen die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten. Plant der Hersteller, derartige Änderungen vorzunehmen, so teilt er dies der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, mit. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm, sofern die Änderungen genehmigt wurden, einen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus.

Beeinträchtigen die Änderungen möglicherweise die Einhaltung der GS oder anderer vom Hersteller gewählten Lösungen, die mit der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation genehmigt wurden, so konsultiert die Benannte Stelle das EU-Referenzlaboratorium, das an der ursprünglichen Konsultation beteiligt war, um zu bestätigen, dass die Einhaltung der GS oder anderer vom Hersteller zur Gewährleistung eines diesen mindestens gleichwertigen Sicherheits- und Leistungsniveaus gewählten Lösungen aufrechterhalten wird.

Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

4.12.   Zur Überprüfung der Konformität von hergestellten Produkten der Klasse D führt der Hersteller Prüfungen jeder einzelnen Produktcharge, die hergestellt wurde, durch. Nach Beendigung der Kontrollen und Prüfungen übermittelt er der Benannten Stelle umgehend die einschlägigen Prüfberichte. Darüber hinaus stellt der Hersteller der Benannten Stelle die Stichproben der hergestellten Produktchargen gemäß vorher vereinbarten Bedingungen und detaillierten Vorkehrungen zur Verfügung; dies umfasst, dass die Benannte Stelle oder der Hersteller dem EU-Referenzlaboratorium, falls ein solches Laboratorium gemäß Artikel 100 benannt wurde, Stichproben der hergestellten Produktchargen übermittelt, damit dieses entsprechende Tests durchführt. Das EU-Referenzlaboratorium informiert die Benannte Stelle über seine Feststellungen.

4.13.   Der Hersteller kann die Produkte in Verkehr bringen, es sei denn, dass die Benannte Stelle ihm innerhalb der vereinbarten Frist, spätestens jedoch 30 Tage nach Eingang der Stichproben, eine andere Entscheidung — insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Gültigkeit der ausgestellten Bescheinigung — mitteilt.

5. Bewertung der technischen Dokumentation für besondere Produktarten

5.1. Bewertung der technischen Dokumentation für Produkte der Klassen B, C und D zur Eigenanwendung und für patientennahe Tests

a) Der Hersteller von Produkten zur Eigenanwendung und von Produkten für patientennahe Tests der Klassen B, C und D stellt bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation.

b) Der Antrag enthält eine verständliche Darstellung der Auslegung der Merkmale und Leistung(en) des Produkts und ermöglicht eine Bewertung der Konformität mit den auslegungsbezogenen Anforderungen dieser Verordnung. Der Antrag enthält Folgendes:

i) Testberichte, einschließlich der Ergebnisse von mit vorgesehenen Anwendern durchgeführten Studien;

ii) soweit möglich, ein Exemplar des Produkts; bei Bedarf wird das Produkt nach Beendigung der Bewertung der technischen Dokumentation zurückgegeben;

iii) Angaben, die die Eignung des Produkts im Hinblick auf seine Zweckbestimmung zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests belegen;

iv) die Angaben, die auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung des Produkts anzubringen sind.

Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch Durchführung weiterer Tests oder Vorlage weiterer Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann.

c) Die Benannte Stelle überprüft, ob das Produkt den in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten einschlägigen Anforderungen entspricht.

d) Die Benannte Stelle setzt zur Bewertung des Antrags bei ihr beschäftigtes Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der betreffenden Technologie und der Zweckbestimmung des Produkts verfügt, und übermittelt dem Hersteller einen EU-Bericht über die Bewertung der technischen Dokumentation.

e) Falls das Produkt den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus. Die Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Bewertung, die Bedingungen für ihre Gültigkeit, die zur Identifizierung der genehmigten Produkte erforderlichen Angaben sowie gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.

f) Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn sie die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten. Plant der Hersteller, derartige Änderungen vorzunehmen, so teilt er dies der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, mit. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm, sofern die Änderungen genehmigt wurden, einen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus.

5.2. Bewertung der technischen Dokumentation bei therapiebegleitenden Diagnostika

a) Der Hersteller eines therapiebegleitenden Diagnostikums stellt bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation. Die Benannte Stelle bewertet den Antrag gemäß dem Verfahren nach den Abschnitten 4.1 bis 4.8 dieses Anhangs.

b) Der Antrag enthält eine verständliche Darstellung der Merkmale und Leistung des Produkts und ermöglicht eine Bewertung der Konformität mit den auslegungsbezogenen Anforderungen dieser Verordnung, insbesondere im Hinblick auf die Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel.

c) Vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation für das therapiebegleitende Diagnostikum und auf der Grundlage des Entwurfs des Kurzberichts über Sicherheit und Leistung sowie des Entwurfs der Gebrauchsanweisung ersucht die Benannte Stelle eine der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/83/EG benannten zuständigen Behörden oder die EMA (im Folgenden in diesem Abschnitt jeweils als „konsultierte Arzneimittelbehörde“ bezeichnet, je nachdem, welche Stelle unter diesem Buchstaben konsultiert wurde) um ein wissenschaftliches Gutachten zur Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel. Fällt das Arzneimittel ausschließlich in den Geltungsbereich des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), so holt die Benannte Stelle ein Gutachten der EMA ein. Ist das betreffende Arzneimittel bereits zugelassen oder wurde ein Antrag auf seine Zulassung eingereicht, so konsultiert die Benannte Stelle die Arzneimittelbehörde, die für die Zulassung zuständig ist, oder die EMA.

d) Die Arzneimittelbehörde legt innerhalb von 60 Tagen nach Eingang aller notwendigen Unterlagen ihr Gutachten vor. Diese Frist von 60 Tagen kann einmal aus berechtigten Gründen um weitere 60 Tage verlängert werden. Die Stellungnahme sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Unterlagen aufgenommen, die die Benannte Stelle zu dem Produkt führt.

e) Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die wissenschaftliche Stellungnahme gemäß Buchstabe d. Die Benannte Stelle teilt ihre endgültige Entscheidung der konsultierten Arzneimittelbehörde mit. Die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation wird gemäß Abschnitt 5.1 Buchstabe e ausgestellt.

f) Vor der Umsetzung von Änderungen, die sich auf die Leistung und/oder bestimmungsgemäße Verwendung und/oder Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel auswirken, informiert der Hersteller die Benannte Stelle über die Änderungen. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die Änderungen und holt ein Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde ein. Die konsultierte Arzneimittelbehörde übermittelt ihr Gutachten innerhalb von 30 Tagen nach Eingang aller notwendigen Unterlagen zu den Änderungen. Ein Nachtrag zur EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation wird gemäß Abschnitt 5.1 Buchstabe f ausgestellt.

Kapitel III: Verwaltungsbestimmungen

6.   Der Hersteller oder — falls der Hersteller keine eingetragene Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat — sein Bevollmächtigter hält während eines Zeitraums, der frühestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des letzten Produkts endet, für die zuständigen Behörden folgende Unterlagen bereit:

  • die EU-Konformitätserklärung,
  • die in Abschnitt 2.1 fünfter Spiegelstrich genannte Dokumentation und insbesondere die aus den Verfahren gemäß Abschnitt 2.2 Absatz 2 Buchstabe c hervorgehenden Daten und Aufzeichnungen,
  • die Informationen über die Änderungen gemäß Abschnitt 2.4,
  • die Dokumentation gemäß Abschnitt 4.2 und Abschnitt 5.1 Buchstabe b, und
  • die Entscheidungen und Berichte der Benannten Stelle gemäß dem vorliegenden Anhang.

7.   Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass die in Abschnitt 6 genannte Dokumentation den zuständigen Behörden über den in diesem Abschnitt angegebenen Zeitraum zur Verfügung steht, für den Fall, dass ein in diesem Staat niedergelassener Hersteller oder sein Bevollmächtigter vor Ablauf dieser Frist in Konkurs geht oder seine Geschäftstätigkeit aufgibt.


(1)  Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

Stand: 13. März 2023