MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Artikel 100: Die Referenzlaboratorien der Europäischen Union

(1) Für bestimmte Produkte oder eine Produktkategorie oder -gruppe oder für spezielle Gefahren im Zusammenhang mit einer Produktkategorie oder -gruppe kann die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten ein oder mehrere Referenzlaboratorien der Europäischen Union (im Folgenden „EU-Referenzlaboratorien“) benennen, die die in Absatz 4 aufgeführten Kriterien erfüllen. Die Kommission benennt nur die EU-Referenzlaboratorien, die von einem Mitgliedstaat oder der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission für diese Aufgabe vorgeschlagen wurden.

(2) Im Rahmen ihrer Benennung übernehmen die EU-Referenzlaboratorien gegebenenfalls folgende Aufgaben:

a) bei Produkten der Klasse D Überprüfung der vom Hersteller angegebenen Leistung und der Einhaltung der GS, sofern verfügbar, oder anderer vom Hersteller gewählter Lösungen, die ein mindestens gleichwertiges Sicherheits- und Leistungsniveau wie gemäß Artikel 48 Absatz 3 Unterabsatz 3 gewährleisten;

b) Vornahme geeigneter Prüfungen an Stichproben von Produkten der Klasse D oder Chargen solcher Produkte gemäß Anhang IX Abschnitt 4.12 und Anhang XI Abschnitt 5.1;

c) wissenschaftliche und technische Unterstützung der Kommission, der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte, der Mitgliedstaaten und der Benannten Stellen bei der Durchführung dieser Verordnung;

d) wissenschaftliche Beratung zum Stand der Technik in Bezug auf bestimmte Produkte oder eine Produktkategorie oder -gruppe;

e) Einrichtung und Verwaltung eines Netzes nationaler Referenzlaboratorien nach Konsultation mit den nationalen Behörden und Veröffentlichung einer Liste der teilnehmenden nationalen Referenzlaboratorien und ihrer Aufgaben;

f) Mitwirkung an der Entwicklung geeigneter Test- und Analyseverfahren zur Verwendung bei Konformitätsbewertungen und Marktüberwachung;

g) Zusammenarbeit mit den Benannten Stellen bei der Entwicklung bewährter Verfahren für die Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren;

h) Empfehlungen geeigneter Referenzmaterialien und metrologisch übergeordneter Referenzmessverfahren;

i) Mitwirkung an der Entwicklung der GS und internationalen Normen;

j) wissenschaftliche Stellungnahmen auf Ersuchen der Benannten Stellen gemäß dieser Verordnung und deren elektronische Veröffentlichung nach Berücksichtigung der nationalen Bestimmungen über die Vertraulichkeit.

(3) Auf Ersuchen eines Mitgliedstaats kann die Kommission auch EU-Referenzlaboratorien benennen, wenn der betreffende Mitgliedstaat mithilfe solcher Laboratorien bei Produkten der Klasse C die Überprüfung der vom Hersteller angegebenen Leistung und der Einhaltung der GS, sofern verfügbar, oder der anderen vom Hersteller gewählten Lösungen, die ein diesen mindestens gleichwertiges Sicherheits- und Leistungsniveau gewährleisten, sicherstellen möchte.

(4) Die EU-Referenzlaboratorien müssen folgende Kriterien erfüllen:

a) über geeignetes und angemessen qualifiziertes Personal verfügen, das seinerseits über angemessenes Fachwissen und angemessene Erfahrung in Bezug auf die In-vitro-Diagnostika, für die die Laboratorien benannt wurden, verfügt;

b) über die notwendige Ausrüstung und das erforderliche Referenzmaterial für die Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben verfügen;

c) über die erforderlichen Kenntnisse der internationalen Normen und vorbildlichen Verfahren verfügen;

d) eine geeignete Verwaltungs- und Organisationsstruktur aufweisen;

e) sicherstellen, dass ihr Personal die Vertraulichkeit der im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangten Informationen und Daten wahrt.

f) unabhängig und im Interesse des Gemeinwohls handeln;

g) sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter keine finanziellen oder anderen Interessen in der In-vitro-Diagnostika-Industrie haben, die ihre Objektivität und Unparteilichkeit beeinflussen könnten, und dass sie alle direkten und indirekten Interessen, die sie in der In-vitro-Diagnostika-Industrie haben könnten, in einer Erklärung offenlegen, die jedes Mal aktualisiert wird, wenn sich eine relevante Änderung ergibt.

(5) Die EU-Referenzlaboratorien bilden ein Netz im Hinblick auf die Koordinierung und Harmonisierung ihrer Arbeitsmethoden in Bezug auf die Testdurchführung und die Bewertung. Diese Koordinierung und Harmonisierung umfasst Folgendes:

a) Anwendung koordinierter Methoden, Verfahren und Prozesse;

b) Verständigung auf Verwendung der gleichen Referenzmaterialien und gemeinsamer Testproben und Serokonversionspanels;

c) Festlegung gemeinsamer Bewertungs- und Interpretationskriterien;

d) Verwendung gemeinsamer Testprotokolle und Bewertung der Testergebnisse mittels standardisierter und aufeinander abgestimmter Bewertungsmethoden;

e) Verwendung standardisierter und aufeinander abgestimmter Testberichte;

f) Aufbau, Anwendung und Weiterentwicklung eines Systems der gegenseitigen Begutachtung (Peer Review);

g) Durchführung regelmäßiger Tests zur Qualitätsbewertung (einschließlich gegenseitiger Kontrollen der Qualität und der Vergleichbarkeit der Testergebnisse);

h) Verständigung auf gemeinsame Leitlinien, Instruktionen, Verfahrensregeln bzw. Standard-Arbeitsanweisungen;

i) koordinierte Einführung von Testmethoden für neue Technologien gemäß neuen oder geänderten GS;

j) auf Ersuchen eines Mitgliedstaats oder der Kommission Neubewertung des Stands der Technik auf der Grundlage komparativer Testergebnisse oder durch weitere Studien.

(6) Den EU-Referenzlaboratorien kann eine finanzielle Unterstützung durch die Union gewährt werden.

Die Kommission kann die detaillierten Vorkehrungen für eine finanzielle Unterstützung der Union für die EU-Referenzlaboratorien und deren Höhe im Wege von Durchführungsrechtsakten unter Berücksichtigung der Ziele Sicherheits- und Gesundheitsschutz, Innovationsförderung und Wirtschaftlichkeit festlegen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 107 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

(7) Ersuchen Benannte Stellen oder Mitgliedstaaten ein EU-Referenzlaboratorium um wissenschaftliche oder technische Unterstützung oder um ein Gutachten, können von dem Labor gemäß vorab festgelegten und transparenten Geschäftsbedingungen Gebühren für diese Leistung erhoben werden, die die bei der Ausführung der in Auftrag gegebenen Aufgaben anfallenden Kosten ganz oder teilweise decken.

(8) Die Kommission spezifiziert im Wege von Durchführungsrechtsakten Folgendes:

a) genaue Vorschriften zur Erleichterung der Anwendung von Absatz 2 des vorliegenden Artikels und genaue Vorschriften zur Gewährleistung der Einhaltung der in Absatz 4 des vorliegenden Artikels genannten Kriterien;

b) unter Berücksichtigung der Ziele Sicherheits- und Gesundheitsschutz, Innovationsförderung und Wirtschaftlichkeit die Struktur und Höhe der in Absatz 7 des vorliegenden Artikels genannten Gebühren, die ein EU-Referenzlaboratorium für die Erstellung wissenschaftlicher Gutachten auf Ersuchen Benannter Stellen und der Mitgliedstaaten gemäß dieser Verordnung erheben darf.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 107 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

(9) Die Kommission unterzieht die EU-Referenzlaboratorien Kontrollen, einschließlich Vor-Ort-Besuchen und Audits, um die Einhaltung der Anforderungen dieser Verordnung zu überprüfen. Wird bei diesen Kontrollen festgestellt, dass ein EU-Referenzlaboratorium den Anforderungen, an die seine Benennung geknüpft ist, nicht entspricht, kann die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten geeignete Maßnahmen treffen, einschließlich der Beschränkung, der Aussetzung oder des Widerrufs der Benennung.

(10) Die Bestimmungen des Artikel 107 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/745 gelten für das Personal der EU-Referenzlaboratorien.

Stand: 13. März 2023