MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Teil A: Klinische Bewertung

1. Bei der Planung, der kontinuierlichen Durchführung und der Dokumentierung einer klinischen Bewertung haben Hersteller folgende Aufgaben:

a) Erstellung und Aktualisierung eines Plans für die klinische Bewertung, der mindestens Folgendes enthält:

  • Bestimmung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die mit relevanten klinischen Daten zu untermauern sind;
  • Spezifizierung der Zweckbestimmung des Produkts;
  • genaue Spezifizierung der vorgesehenen Zielgruppen mit klaren Indikationen und Kontraindikationen;
  • detaillierte Beschreibung des angestrebten klinischen Nutzens für die Patienten mit relevanten konkreten Parametern für das klinische Ergebnis;
  • Spezifizierung der für die Prüfung der qualitativen und quantitativen Aspekte der klinischen Sicherheit anzuwendenden Methoden unter deutlicher Bezugnahme auf die Bestimmung der Restrisiken und Nebenwirkungen;
  • nichterschöpfende Liste und Spezifizierung der Parameter zur auf dem neuesten medizinischen Kenntnisstand beruhenden Bestimmung der Vertretbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für die verschiedenen Indikationen und die Zweckbestimmung bzw. Zweckbestimmungen des Produkts;
  • Angabe, wie Fragen hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für bestimmte Komponenten wie die Verwendung pharmazeutischer, nicht lebensfähiger tierischer oder menschlicher Gewebe zu klären sind und
  • klinischer Entwicklungsplan: von explorativen Studien, wie Studien zur Erstanwendung am Menschen („First-in-man“-Studien), Durchführbarkeitsstudien und Pilotstudien bis hin zu Bestätigungsstudien, wie pivotale klinische Prüfungen, und einer klinischen Überwachung nach dem Inverkehrbringen gemäß Teil B dieses Anhangs, unter Angabe von Etappenzielen und Beschreibung möglicher Akzeptanzkriterien;

b) Ermittlung der verfügbaren klinischen Daten, die für das Produkt und seine Zweckbestimmung relevant sind, sowie sämtlicher Lücken im klinischen Nachweis durch systematische Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur;

c) Beurteilung aller relevanten klinischen Daten durch Bewertung ihrer Eignung zum Nachweis der Sicherheit und Leistung des Produkts;

d) Erzeugung neuer oder zusätzlicher klinischer Daten, die für die Behandlung noch offener Fragen erforderlich sind, durch sachdienlich konzipierte klinische Prüfungen gemäß dem klinischen Entwicklungsplan und

e) Analyse aller relevanten klinischen Daten, um zu Schlussfolgerungen bezüglich der Sicherheit und der klinischen Leistung des Produkts einschließlich seines klinischen Nutzens zu gelangen.

2. Die klinische Bewertung ist gründlich und objektiv und berücksichtigt sowohl günstige als auch ungünstige Daten. Gründlichkeit und Umfang dieser Bewertung sind verhältnismäßig und angemessen in Bezug auf Art, Klassifizierung, Zweckbestimmung und Risiken des betreffenden Produkts und in Bezug auf die Herstellerangaben zu dem Produkt.

3. Eine klinische Bewertung kann sich nur dann auf klinische Daten zu einem Produkt stützen, wenn die Gleichartigkeit zwischen dem ähnlichen Produkt und dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann. Zum Nachweis der Gleichartigkeit werden die folgenden technischen, biologischen und klinischen Merkmale herangezogen:

  • Technisch: Das Produkt ist von ähnlicher Bauart, wird unter ähnlichen Anwendungsbedingungen angewandt, haben ähnliche Spezifikationen und Eigenschaften einschließlich physikalisch-chemischer Eigenschaften wie Energieintensität, Zugfestigkeit, Viskosität, Oberflächenbeschaffenheit, Wellenlänge und Software-Algorithmen, verwendet gegebenenfalls ähnliche Entwicklungsmethoden und hat ähnliche Funktionsgrundsätze und entscheidende Leistungsanforderungen.
  • Biologisch: Das Produkt verwendet die gleichen Materialien oder Stoffe im Kontakt mit den gleichen menschlichen Geweben oder Körperflüssigkeiten für eine ähnliche Art und Dauer des Kontakts bei ähnlichem Abgabeverhalten der Stoffe einschließlich Abbauprodukte und herauslösbarer Bestandteile („leachables“).
  • Klinisch: Das Produkt wird unter der gleichen klinischen Bedingung oder zum gleichen klinischen Zweck, einschließlich eines ähnlichen Schweregrads und Stadiums der Krankheit, an der gleichen Körperstelle und bei ähnlichen Patientenpopulationen in Bezug auf u.a. Alter, Anatomie und Physiologie angewandt, hat die gleichen Anwender und erbringt eine ähnliche, maßgebliche und entscheidende Leistung im Hinblick auf die erwartete klinische Wirkung für eine spezielle Zweckbestimmung.

Die im ersten Absatz aufgeführten Merkmale müssen in einer Weise gleichartig sein, dass es keinen klinisch bedeutsamen Unterschied bei der Sicherheit und klinischen Leistung der Produkte gibt. Die Prüfung der Gleichartigkeit stützt sich auf eine angemessene wissenschaftliche Begründung. Es muss eindeutig nachgewiesen werden, dass die Hersteller über einen hinreichenden Zugang zu den Daten von Produkten, mit denen sie die Gleichartigkeit geltend machen, verfügen, um die von ihnen behauptete Gleichartigkeit belegen zu können.

4. Die Ergebnisse der klinischen Bewertung und der ihr zugrunde liegende klinische Nachweis werden in einem Bewertungsbericht aufgezeichnet, der zur Untermauerung der Konformitätsbewertung des Produkts dient.

Der klinische Nachweis und die mit nichtklinischen Testmethoden erzeugten nichtklinischen Daten sowie weitere relevante Unterlagen ermöglichen es dem Hersteller, die Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen aufzuzeigen; sie sind Teil der technischen Dokumentation des betreffenden Produkts.

In die technische Dokumentation werden sowohl die günstigen als auch die ungünstigen Daten, die in der klinischen Bewertung berücksichtigt wurden, aufgenommen.

Stand: 13. März 2023