MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Artikel 84: Analyse schwerwiegender Vorkommnisse und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld

(1) Im Anschluss an die Meldung eines schwerwiegenden Vorkommnisses gemäß Artikel 82 Absatz 1 führt der Hersteller unverzüglich die erforderlichen Untersuchungen in Bezug auf das schwerwiegende Vorkommnis und die betroffenen Produkte durch. Dies umfasst auch eine Risikobewertung in Bezug auf das Vorkommnis und die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, wobei gegebenenfalls die in Absatz 3 des vorliegenden Artikels dargelegten Kriterien berücksichtigt werden.

Der Hersteller arbeitet bei den Untersuchungen gemäß Unterabsatz 1 mit den zuständigen Behörden und gegebenenfalls mit der betroffenen Benannten Stelle zusammen und unternimmt keine Maßnahmen, die zu einer Veränderung des Produkts oder einer Probe der betroffenen Charge in einer Weise führen, die Auswirkungen auf eine spätere Bewertung der Ursachen des Vorkommnisses haben könnte, bevor er die zuständigen Behörden über eine solche Maßnahme unterrichtet hat.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Informationen im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Vorkommnis, das in ihrem Hoheitsgebiet aufgetreten ist, oder einer Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld, die in ihrem Hoheitsgebiet ergriffen wurde oder ergriffen werden soll, von denen sie gemäß Artikel 82 Kenntnis erhalten haben, von ihrer zuständigen Behörde zentral bewertet werden, und zwar nach Möglichkeit in Zusammenarbeit mit dem Hersteller und gegebenenfalls mit der betroffenen Benannten Stelle.

(3) Im Kontext der Bewertung gemäß Absatz 1 bewertet die zuständige Behörde die Risiken aufgrund des gemeldeten schwerwiegenden Vorkommnisses und bewertet alle Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld, wobei sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit und Kriterien wie Kausalität, Nachweisbarkeit und Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens des Problems, Häufigkeit der Produktverwendung, Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines direkten oder indirekten Schadens, die Schwere dieses Schadens, den klinischen Nutzen des Produkts, die vorgesehenen und möglichen Anwender und die betroffene Bevölkerung berücksichtigt. Die zuständige Behörde bewertet außerdem die Angemessenheit der vom Hersteller geplanten oder bereits ergriffenen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld und ob Bedarf an weiteren Korrekturmaßnahmen besteht bzw. welcher Art diese sein sollten, wobei sie insbesondere dem Grundsatz der inhärenten Sicherheit gemäß Anhang I Rechnung trägt.

Auf Ersuchen der zuständigen nationalen Behörde legen die Hersteller alle für eine Risikobewertung erforderlichen Unterlagen vor.

(4) Die zuständige Behörde überwacht die Untersuchung eines schwerwiegenden Vorkommnisses durch den Hersteller. Erforderlichenfalls kann eine zuständige Behörde in die Untersuchung durch den Hersteller eingreifen oder eine unabhängige Untersuchung veranlassen.

(5) Der Hersteller legt der zuständigen Behörde mittels des elektronischen Systems gemäß Artikel 87 einen Abschlussbericht mit den Ergebnissen der Untersuchung vor. Der Bericht enthält Schlussfolgerungen und zeigt gegebenenfalls die zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen auf.

(6) Im Falle therapiebegleitender Diagnostika unterrichtet die bewertende zuständige Behörde oder die koordinierende zuständige Behörde gemäß Absatz 9 des vorliegenden Artikels, je nachdem, ob die einschlägige zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die die Arzneimittel zugelassen hat, oder die EMA von der Benannten Stelle gemäß den in Anhang IX Abschnitt 5.2 und Anhang X Abschnitt 3.11 dargelegten Verfahren konsultiert wurde, diese nationale zuständige Behörde bzw. die EMA.

(7) Nach Durchführung der Bewertung gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels unterrichtet die bewertende zuständige Behörde über das in Artikel 87 genannte elektronische System unverzüglich die anderen zuständigen Behörden über die Korrekturmaßnahmen, die der Hersteller ergriffen hat oder plant oder die von ihm verlangt werden, um das Risiko eines Wiederauftretens des schwerwiegenden Vorkommnisses zu minimieren; übermittelt werden dabei außerdem Angaben über die zugrunde liegenden schwerwiegenden Vorkommnisse und die Ergebnisse der Bewertung.

(8) Der Hersteller sorgt dafür, dass Informationen über die ergriffenen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld den Anwendern des betreffenden Produkts unverzüglich mittels einer Sicherheitsanweisung im Feld zur Kenntnis gebracht werden. Die Sicherheitsanweisung im Feld ist in einer Amtssprache oder in Amtssprachen der Union abzufassen, entsprechend der Vorgabe durch den Mitgliedstaat, in dem die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld ergriffen werden. Außer in dringenden Fällen wird der Entwurf der Sicherheitsanweisung im Feld der bewertenden zuständigen Behörde oder in den Fällen gemäß Absatz 9 der koordinierenden zuständigen Behörde vorgelegt, damit diese ihre Anmerkungen dazu abgeben kann. Außer in Fällen, in denen eine Ausnahme durch die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten begründet ist, müssen die Sicherheitsanweisungen im Feld in allen Mitgliedstaaten einheitlich sein.

Die Sicherheitsanweisung im Feld ermöglicht die korrekte Identifizierung des Produkts bzw. der Produkte, insbesondere durch Aufnahme der Basis-UDI-DI und gegebenenfalls anderer UDI, und die korrekte Identifizierung des Herstellers, der die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld ergriffen hat, insbesondere — falls bereits ausgestellt — durch Aufnahme der SRN. In der Sicherheitsanweisung im Feld werden die Gründe für die Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld mit Verweis auf den Produktmangel oder Fehlfunktionen des Produkts und damit verbundene Risiken für Patienten, Anwender oder Dritte klar und ohne die Höhe des Risikos herunterzuspielen dargelegt und alle von den Anwendern zu ergreifenden Maßnahmen eindeutig angegeben.

Der Hersteller gibt die Sicherheitsanweisung im Feld in das in Artikel 87 genannte elektronische System ein, über das sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

(9) In den folgenden Fällen nehmen die zuständigen Behörden aktiv an einem Verfahren zur Koordinierung ihrer Bewertungen gemäß Absatz 3 teil:

a) Wenn Besorgnis hinsichtlich eines bestimmten schwerwiegenden Vorkommnisses oder einer Häufung schwerwiegender Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem gleichen Produkt oder der gleichen Art von Produkt des gleichen Herstellers in mehr als einem Mitgliedstaat herrscht;

b) wenn infrage steht, ob eine von einem Hersteller in mehr als einem Mitgliedstaat vorgeschlagene Sicherheitskorrekturmaßnahme im Feld angemessen ist.

Dieses koordinierte Verfahren umfasst Folgendes:

  • Benennung einer koordinierenden zuständigen Behörde auf Einzelfallbasis, sofern erforderlich;
  • Festlegung des koordinierten Bewertungsverfahrens, einschließlich der Aufgaben und Verantwortlichkeiten der koordinierenden zuständigen Behörde und der Beteiligung anderer zuständiger Behörden.

Sofern nicht anders zwischen den zuständigen Behörden vereinbart, übernimmt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Hersteller seine eingetragene Niederlassung hat, die Rolle der koordinierenden zuständigen Behörde.

Die koordinierende zuständige Behörde unterrichtet den Hersteller, die übrigen zuständigen Behörden und die Kommission über das in Artikel 87 genannte elektronische System davon, dass sie diese Aufgabe übernommen hat.

(10) Ungeachtet der Benennung einer koordinierenden zuständigen Behörde dürfen die anderen zuständigen Behörden ihre eigene Bewertung durchführen und im Einklang mit dieser Verordnung Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Patientensicherheit ergreifen. Die koordinierende zuständige Behörde und die Kommission sind über die Ergebnisse solcher Bewertungen und den Erlass solcher Maßnahmen auf dem Laufenden zu halten.

(11) Die Kommission leistet der koordinierenden zuständigen Behörde bei der Erfüllung der ihr gemäß diesem Kapitel übertragenen Aufgaben administrative Unterstützung.

Stand: 13. März 2023