MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Anhang XIV: Klinische Bewertung und Klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen

Teil A: Klinische Bewertung

1. Bei der Planung, der kontinuierlichen Durchführung und der Dokumentierung einer klinischen Bewertung haben Hersteller folgende Aufgaben:

a) Erstellung und Aktualisierung eines Plans für die klinische Bewertung, der mindestens Folgendes enthält:

  • Bestimmung der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die mit relevanten klinischen Daten zu untermauern sind;
  • Spezifizierung der Zweckbestimmung des Produkts;
  • genaue Spezifizierung der vorgesehenen Zielgruppen mit klaren Indikationen und Kontraindikationen;
  • detaillierte Beschreibung des angestrebten klinischen Nutzens für die Patienten mit relevanten konkreten Parametern für das klinische Ergebnis;
  • Spezifizierung der für die Prüfung der qualitativen und quantitativen Aspekte der klinischen Sicherheit anzuwendenden Methoden unter deutlicher Bezugnahme auf die Bestimmung der Restrisiken und Nebenwirkungen;
  • nichterschöpfende Liste und Spezifizierung der Parameter zur auf dem neuesten medizinischen Kenntnisstand beruhenden Bestimmung der Vertretbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für die verschiedenen Indikationen und die Zweckbestimmung bzw. Zweckbestimmungen des Produkts;
  • Angabe, wie Fragen hinsichtlich des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für bestimmte Komponenten wie die Verwendung pharmazeutischer, nicht lebensfähiger tierischer oder menschlicher Gewebe zu klären sind und
  • klinischer Entwicklungsplan: von explorativen Studien, wie Studien zur Erstanwendung am Menschen („First-in-man“-Studien), Durchführbarkeitsstudien und Pilotstudien bis hin zu Bestätigungsstudien, wie pivotale klinische Prüfungen, und einer klinischen Überwachung nach dem Inverkehrbringen gemäß Teil B dieses Anhangs, unter Angabe von Etappenzielen und Beschreibung möglicher Akzeptanzkriterien;

b) Ermittlung der verfügbaren klinischen Daten, die für das Produkt und seine Zweckbestimmung relevant sind, sowie sämtlicher Lücken im klinischen Nachweis durch systematische Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur;

c) Beurteilung aller relevanten klinischen Daten durch Bewertung ihrer Eignung zum Nachweis der Sicherheit und Leistung des Produkts;

d) Erzeugung neuer oder zusätzlicher klinischer Daten, die für die Behandlung noch offener Fragen erforderlich sind, durch sachdienlich konzipierte klinische Prüfungen gemäß dem klinischen Entwicklungsplan und

e) Analyse aller relevanten klinischen Daten, um zu Schlussfolgerungen bezüglich der Sicherheit und der klinischen Leistung des Produkts einschließlich seines klinischen Nutzens zu gelangen.

2. Die klinische Bewertung ist gründlich und objektiv und berücksichtigt sowohl günstige als auch ungünstige Daten. Gründlichkeit und Umfang dieser Bewertung sind verhältnismäßig und angemessen in Bezug auf Art, Klassifizierung, Zweckbestimmung und Risiken des betreffenden Produkts und in Bezug auf die Herstellerangaben zu dem Produkt.

3. Eine klinische Bewertung kann sich nur dann auf klinische Daten zu einem Produkt stützen, wenn die Gleichartigkeit zwischen dem ähnlichen Produkt und dem betreffenden Produkt nachgewiesen werden kann. Zum Nachweis der Gleichartigkeit werden die folgenden technischen, biologischen und klinischen Merkmale herangezogen:

  • Technisch: Das Produkt ist von ähnlicher Bauart, wird unter ähnlichen Anwendungsbedingungen angewandt, haben ähnliche Spezifikationen und Eigenschaften einschließlich physikalisch-chemischer Eigenschaften wie Energieintensität, Zugfestigkeit, Viskosität, Oberflächenbeschaffenheit, Wellenlänge und Software-Algorithmen, verwendet gegebenenfalls ähnliche Entwicklungsmethoden und hat ähnliche Funktionsgrundsätze und entscheidende Leistungsanforderungen.
  • Biologisch: Das Produkt verwendet die gleichen Materialien oder Stoffe im Kontakt mit den gleichen menschlichen Geweben oder Körperflüssigkeiten für eine ähnliche Art und Dauer des Kontakts bei ähnlichem Abgabeverhalten der Stoffe einschließlich Abbauprodukte und herauslösbarer Bestandteile („leachables“).
  • Klinisch: Das Produkt wird unter der gleichen klinischen Bedingung oder zum gleichen klinischen Zweck, einschließlich eines ähnlichen Schweregrads und Stadiums der Krankheit, an der gleichen Körperstelle und bei ähnlichen Patientenpopulationen in Bezug auf u.a. Alter, Anatomie und Physiologie angewandt, hat die gleichen Anwender und erbringt eine ähnliche, maßgebliche und entscheidende Leistung im Hinblick auf die erwartete klinische Wirkung für eine spezielle Zweckbestimmung.

Die im ersten Absatz aufgeführten Merkmale müssen in einer Weise gleichartig sein, dass es keinen klinisch bedeutsamen Unterschied bei der Sicherheit und klinischen Leistung der Produkte gibt. Die Prüfung der Gleichartigkeit stützt sich auf eine angemessene wissenschaftliche Begründung. Es muss eindeutig nachgewiesen werden, dass die Hersteller über einen hinreichenden Zugang zu den Daten von Produkten, mit denen sie die Gleichartigkeit geltend machen, verfügen, um die von ihnen behauptete Gleichartigkeit belegen zu können.

4. Die Ergebnisse der klinischen Bewertung und der ihr zugrunde liegende klinische Nachweis werden in einem Bewertungsbericht aufgezeichnet, der zur Untermauerung der Konformitätsbewertung des Produkts dient.

Der klinische Nachweis und die mit nichtklinischen Testmethoden erzeugten nichtklinischen Daten sowie weitere relevante Unterlagen ermöglichen es dem Hersteller, die Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen aufzuzeigen; sie sind Teil der technischen Dokumentation des betreffenden Produkts.

In die technische Dokumentation werden sowohl die günstigen als auch die ungünstigen Daten, die in der klinischen Bewertung berücksichtigt wurden, aufgenommen.

Teil B: Klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen

5. Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen ist als ein fortlaufender Prozess zur Aktualisierung der klinischen Bewertung gemäß Artikel 61 und Teil A dieses Anhangs zu verstehen und wird im Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen behandelt. Bei der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen sammelt und bewertet der Hersteller auf proaktive Weise klinische Daten, die aus der Verwendung eines die CE-Kennzeichnung tragenden, im Rahmen seiner Zweckbestimmung gemäß dem einschlägigen Konformitätsbewertungsverfahren in den Verkehr gebrachten oder in Betrieb genommenen Produkts im oder am menschlichen Körper hervorgehen, um die Sicherheit und die Leistung während der erwarteten Lebensdauer des Produkts zu bestätigen, die fortwährende Vertretbarkeit der ermittelten Risiken zu gewährleisten und auf der Grundlage sachdienlicher Belege neu entstehende Risiken zu erkennen.

6. Die klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen wird gemäß einer in einem Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen dargelegten Methode durchgeführt.

6.1. Der Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen beschreibt die Methoden und Verfahren für das proaktive Sammeln und Bewerten klinischer Daten, um

a) die Sicherheit und die Leistung des Produkts während seiner erwarteten Lebensdauer zu bestätigen,

b) zuvor unbekannte Nebenwirkungen zu ermitteln und die ermittelten Nebenwirkungen und Kontraindikationen zu überwachen,

c) entstehende Risiken auf der Grundlage empirischer Belege zu ermitteln und zu untersuchen,

d) die fortwährende Vertretbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses gemäß Anhang I Abschnitte 1 und 9 zu gewährleisten und

e) eine mögliche systematische fehlerhafte oder zulassungsüberschreitende Verwendung des Produkts festzustellen, damit überprüft werden kann, ob seine Zweckbestimmung angemessen ist.

6.2. Der Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen beinhaltet mindestens Folgendes:

a) die anzuwendenden allgemeinen Methoden und Verfahren der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen, wie das Zusammenführen erlangter klinischer Erfahrungen, die Einholung des Feedbacks von Anwendern, die Durchsicht wissenschaftlicher Fachliteratur und anderer Quellen klinischer Daten;

b) die anzuwendenden besonderen Methoden und Verfahren der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen, wie die Beurteilung von geeigneten Registern oder Studien über die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen;

c) eine Begründung der Eignung der unter den Buchstaben a und b behandelten Methoden und Verfahren;

d) einen Verweis auf die relevanten Teile des Berichts über die klinische Bewertung gemäß Abschnitt 4 sowie auf das Risikomanagement gemäß Anhang I Abschnitt 3;

e) die spezifischen Ziele, die mit der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen abgedeckt werden sollen;

f) eine Bewertung der klinischen Daten zu gleichartigen oder ähnlichen Produkten;

g) Verweise auf alle einschlägigen GS, harmonisierten Normen — wenn sie vom Hersteller angewandt werden — und einschlägigen Leitlinien zur klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen und

h) einen detaillierten und hinreichend begründeten Zeitplan für die vom Hersteller im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen durchzuführenden Tätigkeiten (z.B. Analyse der Daten und Berichte zur klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen).

7. Der Hersteller analysiert die Feststellungen aus der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen und dokumentiert die Ergebnisse in einem Bewertungsbericht über die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen; dieser Bericht ist Bestandteil des klinischen Bewertungsberichts und der technischen Dokumentation.

8. Die Schlussfolgerungen des Bewertungsberichts über die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen finden bei der klinischen Bewertung gemäß Artikel 61 und Teil A dieses Anhangs und beim Risikomanagement gemäß Anhang I Abschnitt 3 Berücksichtigung. Wird im Rahmen der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen die Notwendigkeit von Präventiv- und/oder Korrekturmaßnahmen festgestellt, so setzt der Hersteller solche Maßnahmen um.

Stand: 13. März 2023