MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Kapitel II: Bewertung der technischen Dokumentation

4. Bewertung der technischen Dokumentation bei Produkten der Klasse III und der Klasse IIb gemäß Artikel 52 Absatz 4 UnterAbsatz 2

4.1. Zusätzlich zu den Verpflichtungen gemäß Abschnitt 2 stellt der Hersteller bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation für das Produkt, das er auf den Markt zu bringen oder in Betrieb zu nehmen beabsichtigt und das unter das Qualitätsmanagementsystem gemäß Abschnitt 2 fällt.

4.2. Aus dem Antrag gehen die Auslegung, die Herstellung und die Leistung des betreffenden Produkts hervor. Er umfasst die technische Dokumentation gemäß den Anhängen II und III.

4.3. Die Benannte Stelle setzt zur Prüfung der technischen Dokumentation Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der betreffenden Technologie und ihrer klinischen Anwendung verfügt. Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch zusätzliche Tests oder weitere Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den einschlägigen Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann. Die Benannte Stelle führt angemessene physische Kontrollen oder Laboruntersuchungen bezüglich des Produkts durch oder fordert den Hersteller zur Durchführung solcher Tests auf.

4.4. Die Benannte Stelle überprüft die vom Hersteller im Rahmen des Berichts über die klinische Bewertung vorgelegten Daten zum klinischen Nachweis und die in diesem Zusammenhang vorgenommene klinische Bewertung. Für die Zwecke dieser Überprüfung beschäftigt die Benannte Stelle Produktprüfer mit ausreichendem klinischen Fachwissen und setzt externe klinische Experten mit unmittelbarer aktueller Erfahrung im Zusammenhang mit dem betreffenden Produkt oder den klinischen Bedingungen, unter denen es verwendet wird, ein.

4.5. Stützt sich der klinische Nachweis ganz oder teilweise auf Daten zu Produkten, die als gleichartig mit dem zu bewertenden Produkt dargestellt werden, so prüft die Benannte Stelle unter Berücksichtigung von Faktoren wie neuen Indikationen oder Innovationen, ob die Verwendung dieser Daten angemessen ist. Sie dokumentiert eindeutig ihre Ergebnisse hinsichtlich der behaupteten Gleichartigkeit sowie der Relevanz und Eignung der Daten für einen Konformitätsnachweis. Für jede Eigenschaft des Produkts, die der Hersteller als innovativ darstellt, oder für neue Indikationen prüft die Benannte Stelle, inwieweit die einzelnen Angaben durch spezifische vorklinische und klinische Daten und Risikoanalysen gestützt werden.

4.6. Die Benannte Stelle überprüft die Angemessenheit des klinischen Nachweises und der klinischen Bewertung sowie die Ergebnisse, zu denen der Hersteller hinsichtlich der Konformität mit den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gelangt ist. Überprüft werden dabei unter anderem die Angemessenheit der Nutzen-Risiko-Abwägung, das Risikomanagement, die Gebrauchsanweisung, die Schulung der Anwender und der Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen sowie gegebenenfalls die Frage, ob der vorgeschlagene Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen notwendig und angemessen ist.

4.7. Die Benannte Stelle prüft auf der Grundlage ihrer Beurteilung des klinischen Nachweises die klinische Bewertung und die Nutzen-Risiko-Abwägung sowie die Frage, ob konkrete Etappenziele festgelegt werden müssen, um ihr eine Überprüfung von Aktualisierungen des klinischen Nachweises, die sich aus den Daten aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen und der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen ergeben, zu ermöglichen.

4.8. Die Benannte Stelle dokumentiert das Ergebnis ihrer Bewertung klar und deutlich in dem Bericht über die Begutachtung der klinischen Bewertung.

4.9. Die Benannte Stelle übermittelt dem Hersteller einen Bericht über die Bewertung der technischen Dokumentation einschließlich eines Berichts über die Begutachtung der klinischen Bewertung. Falls das Produkt den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus. Die Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Bewertung der technischen Dokumentation, die Bedingungen für die Gültigkeit der Bescheinigung, die zur Identifizierung der genehmigten Auslegung erforderlichen Angaben sowie gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.

4.10.   Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn diese Änderungen die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten. Plant der Hersteller, derartige Änderungen vorzunehmen, so teilt er dies der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, mit. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 52 oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm, sofern die Änderungen genehmigt wurden, einen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus.

5. Besondere zusätzliche Verfahren

5.1. Bewertungsverfahren bei bestimmten Produkten der Klasse III und der Klasse IIb

a) Bei Produkten der Klasse III und bei in Anhang VIII Abschnitt 6.4 (Regel 12) genannten aktiven Produkten der Klasse IIb, die dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel an den Körper abzugeben und/oder aus dem Körper zu entfernen, erstellt die Benannte Stelle — nachdem sie die Qualität der klinischen Daten, auf denen der klinische Bewertungsbericht des Herstellers gemäß Artikel 61 Absatz 12 beruht, geprüft hat — einen Bericht über die Begutachtung der klinischen Bewertung, in dem sie ihre Schlussfolgerungen zu dem vom Hersteller vorgelegten klinischen Nachweis, insbesondere zur Nutzen-Risiko-Abwägung, zur Kohärenz dieses Nachweises mit der Zweckbestimmung, einschließlich der medizinischen Indikation oder Indikationen, und zu dem in Artikel 10 Absatz 3 und Anhang XIV Teil B genannten Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen darlegt.

Die Benannte Stelle legt ihren Bericht über die Begutachtung der klinischen Bewertung — gemeinsam mit der Dokumentation des Herstellers über die klinische Bewertung gemäß Anhang II Abschnitt 6.1 Buchstaben c und d — der Kommission vor.

Die Kommission leitet diese Dokumente unverzüglich an das in Artikel 106 genannte einschlägige Expertengremium weiter.

b) Die Benannte Stelle kann ersucht werden, dem jeweiligen Expertengremium ihre unter Buchstabe a genannten Schlussfolgerungen darzulegen.

c) Das Expertengremium entscheidet — unter Aufsicht der Kommission — auf der Grundlage aller folgenden Kriterien:

i) Neuartigkeit des betreffenden Produkts oder des damit verbundenen klinischen Verfahrens und seine möglichen erheblichen klinischen Auswirkungen oder Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit;

ii) erhebliche nachteilige Änderung des Nutzen-Risiko-Profils einer speziellen Kategorie oder Gruppe von Produkten aufgrund wissenschaftlich fundierter Gesundheitsbedenken in Bezug auf ihre Komponenten oder ihr Ausgangsmaterial oder in Bezug auf die Gesundheitsauswirkungen bei Versagen des Produkts;

iii) erheblich vermehrtes Auftreten schwerwiegender Vorkommnisse gemäß Artikel 87 bei einer speziellen Kategorie oder Gruppe von Produkten,

ob es ein wissenschaftliches Gutachten zu dem Bericht der Benannten Stelle über die Begutachtung der klinischen Bewertung vorlegen wird, das sich auf den klinischen Nachweis des Herstellers insbesondere zur Nutzen-Risiko-Abwägung, zur Kohärenz dieses Nachweises mit der medizinischen Indikation oder den medizinischen Indikationen und zum Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen stützt. Dieses wissenschaftliche Gutachten ist binnen einer Frist von 60 Tagen ab dem Tag des Eingangs der von der Kommission übermittelten und unter Buchstabe a genannten Dokumente vorzulegen. Die Gründe für die Entscheidung, ein wissenschaftliches Gutachten auf der Grundlage der unter den Ziffern i, ii und iii genannten Kriterien vorzulegen, müssen in dem wissenschaftlichen Gutachten enthalten sein. Sind die übermittelten Informationen nicht ausreichend, um das Expertengremium in die Lage zu versetzen, zu einer Schlussfolgerung zu gelangen, so ist dies in dem wissenschaftlichen Gutachten anzugeben.

d) Das Expertengremium kann — unter Aufsicht der Kommission — entscheiden, auf der Grundlage der unter Buchstabe c dargelegten Kriterien kein wissenschaftliches Gutachten vorzulegen; in diesem Fall teilt es der Benannten Stelle dies so rasch wie möglich und in jedem Fall binnen 21 Tagen nach Eingang der von der Kommission übermittelten und unter Buchstabe a genannten Dokumente mit. Das Expertengremium teilt der Benannten Stelle und der Kommission innerhalb dieser Frist auch die Gründe für seine Entscheidung mit; die Benannte Stelle kann daraufhin das Zertifizierungsverfahren für dieses Produkt fortsetzen.

e) Das Expertengremium teilt der Kommission innerhalb von 21 Tagen nach Eingang der von der Kommission übermittelten Dokumente über Eudamed mit, ob es gemäß Buchstabe c beabsichtigt, ein wissenschaftliches Gutachten vorzulegen, oder ob es gemäß Buchstabe d nicht beabsichtigt, ein wissenschaftliches Gutachten vorzulegen.

f) Wird binnen einer Frist von 60 Tagen kein Gutachten vorgelegt, so kann die Benannte Stelle das Zertifizierungsverfahren für das betreffende Produkt fortsetzen.

g) Die Benannte Stelle berücksichtigt gebührend die in dem wissenschaftlichen Gutachten des Expertengremiums geäußerten Standpunkte. Stellt das Expertengremium fest, dass der klinische Nachweis nicht ausreichend ist oder auf andere Weise Anlass zu ernsthafter Besorgnis im Hinblick auf die Nutzen-Risiko-Abwägung, die Kohärenz dieses Nachweises mit der Zweckbestimmung, einschließlich der medizinischen Indikation(en), und den Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen gibt, so rät die Benannte Stelle dem Hersteller erforderlichenfalls, die Zweckbestimmung des Produkts auf bestimmte Patientengruppen oder bestimmte medizinische Indikationen zu beschränken und/oder eine Begrenzung der Geltungsdauer der Bescheinigung vorzusehen, spezifische Studien über die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen durchzuführen und die Gebrauchsanweisung oder den Kurzbericht über Sicherheit und Leistung anzupassen, oder sieht — gegebenenfalls in ihrem Konformitätsbewertungsbericht — andere Einschränkungen vor. Folgt die Benannte Stelle dem Gutachten des Expertengremiums in ihrem Konformitätsbewertungsbericht nicht, so legt sie eine umfassende Begründung dafür vor, und die Kommission macht unbeschadet des Artikels 109 sowohl das wissenschaftliche Gutachten des Expertengremiums als auch die von der Benannten Stelle vorgelegte schriftliche Begründung über Eudamed öffentlich zugänglich.

h) Die Kommission stellt den Expertengremien nach Beratung mit den Mitgliedstaaten und einschlägigen wissenschaftlichen Experten vor dem 26. Mai 2020 Leitlinien für die einheitliche Auslegung der Kriterien unter Buchstabe c zur Verfügung.

5.2. Verfahren bei Produkten, zu deren Bestandteilen ein Arzneimittel gehört

a) Enthält ein Produkt als festen Bestandteil einen Stoff, der für sich allein genommen als Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG gelten kann, auch wenn es sich um ein aus menschlichem Blut oder Plasma gewonnenes Arzneimittel handelt, und dem im Rahmen des Medizinprodukts eine unterstützende Funktion zukommt, so sind die Qualität, die Sicherheit und der Nutzen des Stoffes gemäß den in Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG festgelegen Methoden zu überprüfen.

b) Vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ersucht die Benannte Stelle nach Überprüfung des Nutzens des Stoffes als Bestandteil des Produkts und unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Produkts eine der von den Mitgliedstaaten bezeichneten zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder die Europäische Arzneimittel-Agentur (im Folgenden jeweils als „konsultierte Arzneimittelbehörde“ bezeichnet, je nachdem, welche Stelle unter diesem Buchstaben konsultiert wurde) um ein wissenschaftliches Gutachten zur Qualität und Sicherheit des Stoffes, einschließlich des Nutzens oder Risikos der Verwendung des Stoffes in dem Produkt. Gehört zu den Bestandteilen eines Produkts ein Derivat aus menschlichem Blut oder Plasma oder ein Stoff, der für sich allein genommen als Arzneimittel gelten kann, das ausschließlich in den Anwendungsbereich des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 fällt, so holt die Benannte Stelle ein Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur ein.

c) Bei der Ausstellung des Gutachtens berücksichtigt die konsultierte Arzneimittelbehörde den Herstellungsprozess und die Angaben im Zusammenhang mit dem Nutzen der Verwendung des Stoffes in dem Produkt, wie von der Benannten Stelle ermittelt.

d) Die konsultierte Arzneimittelbehörde übermittelt der Benannten Stelle ihr Gutachten innerhalb von 210 Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen.

e) Das wissenschaftliche Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde sowie etwaige Aktualisierungen dieses Gutachtens werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die in diesem wissenschaftlichen Gutachten geäußerten Standpunkte. Die Benannte Stelle stellt keine Bescheinigung aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten negativ ist, und setzt die konsultierte Arzneimittelbehörde von ihrer abschließenden Entscheidung in Kenntnis

f) Bevor Änderungen bezüglich eines in dem Medizinprodukt verwendeten Hilfsstoffs vorgenommen werden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Herstellungsprozess, informiert der Hersteller die Benannte Stelle über die Änderungen. Diese Benannte Stelle holt ein Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde ein, um zu bestätigen, dass Qualität und Sicherheit des Hilfsstoffs unverändert bleiben Die konsultierte Arzneimittelbehörde berücksichtigt die Angaben über den Nutzen der Verwendung des Stoffes in dem Produkt, wie von der Benannten Stelle ermittelt, um sicherzustellen, dass sich die Änderungen nicht negativ auf den Nutzen oder das Risiko auswirken, der/das zuvor für die Verwendung des Stoffes in dem Produkt festgestellt wurde. Die konsultierte Arzneimittelbehörde übermittelt ihr Gutachten innerhalb von 60 Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen zu den Änderungen. Die Benannte Stelle stellt keinen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde negativ ist. Die Benannte Stelle teilt der konsultierten Arzneimittelbehörde ihre endgültige Entscheidung mit.

g) Erhält die konsultierte Arzneimittelbehörde Informationen über den unterstützenden Stoff, die Auswirkungen auf den Nutzen oder das Risiko, der/das zuvor für die Verwendung des Stoffes in dem Produkt festgestellt wurde, haben könnten, so teilt sie der Benannten Stelle mit, ob diese Informationen Auswirkungen auf den Nutzen oder das Risiko, der/das zuvor für die Verwendung des Stoffes in dem Produkt festgestellt wurde, haben. Die Benannte Stelle berücksichtigt diese Mitteilung bei ihren Überlegungen zu einer erneuten Bewertung des Konformitätsbewertungsverfahrens.

5.3. Verfahren bei Produkten, die unter Verwendung von Geweben oder Zellen menschlichen oder tierischen Ursprungs oder deren Derivaten hergestellt werden, die nicht lebensfähig oder abgetötet sind, oder die diese als Bestandteilen beinhalten.

5.3.1. Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder ihre Derivate

a) Im Fall von Produkten, die unter Verwendung von Derivaten von Geweben oder Zellen menschlichen Ursprungs hergestellt werden, die in dieser Verordnung unter Artikel 1 Absatz 6 Buchstabe g erfasst sind, und von Produkten, die als integralen Bestandteil von der Richtlinie 2004/23/EG erfasste Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder deren Derivate enthalten, denen im Rahmen des Produkts eine unterstützende Funktion zukommt, holt die Benannte Stelle vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ein wissenschaftliches Gutachten einer der von den Mitgliedstaaten gemäß Richtlinie 2004/23/EG bezeichneten zuständigen Behörden (im Folgenden „für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständige Behörde“) zu den Aspekten ein, die die Spende, Beschaffung und Testung der Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder ihrer Derivate betreffen. Die Benannte Stelle legt eine Zusammenfassung der vorläufigen Konformitätsbewertung vor, die unter anderem Informationen zur Nichtlebensfähigkeit der betreffenden menschlichen Gewebe oder Zellen, zu deren Spende, Beschaffung und Testung sowie zum Risiko oder Nutzen der Verwendung der Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder ihrer Derivate in dem Produkt enthält.

b) Innerhalb von 120 Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen legt die für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständige Behörde der Benannten Stelle ihr Gutachten vor.

c) Das wissenschaftliche Gutachten der für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständigen Behörde sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die in dem wissenschaftlichen Gutachten der für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständigen Behörde geäußerten Standpunkte. Die Benannte Stelle stellt keine Bescheinigung aus, wenn dieses wissenschaftliche Gutachten negativ ist. Sie setzt die für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständige Behörde von ihrer abschließenden Entscheidung in Kenntnis.

d) Bevor Änderungen bezüglich der in einem Produkt verwendeten abgetöteten Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder der Derivate dieser Gewebe oder Zellen — insbesondere im Zusammenhang mit deren Spende, Testung oder Beschaffung — vorgenommen werden, informiert der Hersteller die Benannte Stelle über die beabsichtigten Änderungen. Die Benannte Stelle konsultiert die Behörde, die an der ursprünglichen Konsultation beteiligt war, um zu bestätigen, dass Qualität und Sicherheit der Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs oder ihrer Derivate, die in dem Produkt verwendet werden, erhalten bleiben. Die für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständige Behörde berücksichtigt die Angaben über den Nutzen der Verwendung der Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs und ihrer Derivate in dem Produkt, wie von der Benannten Stelle ermittelt, um sicherzustellen, dass sich die Änderungen nicht negativ auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis auswirken, das für die Aufnahme der Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs oder ihrer Derivate in das Produkt bestimmt wurde. Sie übermittelt ihr Gutachten innerhalb von 60 Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen zu den beabsichtigten Änderungen. Die Benannte Stelle stellt keinen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten negativ ist, und setzt die für Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs zuständige Behörde von ihrer abschließenden Entscheidung in Kenntnis.

5.3.2. Gewebe oder Zellen tierischen Ursprungs oder ihre Derivate

Im Fall von Produkten, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 722/2012 unter Verwendung von abgetötetem Gewebe oder von abgetöteten Erzeugnissen, die aus tierischem Gewebe gewonnen wurden, hergestellt werden, greift die Benannte Stelle auf die in der genannten Verordnung festgelegten einschlägigen Anforderungen zurück.

5.4. Verfahren bei Produkten, die aus Stoffen oder Kombinationen von Stoffen bestehen, die vom menschlichen Körper aufgenommen oder lokal im Körper verteilt werden

a) Die Qualität und Sicherheit von Produkten, die aus Stoffen oder Kombinationen von Stoffen bestehen, die dazu bestimmt sind, über eine Körperöffnung in den menschlichen Körper eingeführt oder auf die Haut aufgetragen zu werden, und die vom Körper aufgenommen oder lokal im Körper verteilt werden, werden — soweit zutreffend und nur in Bezug auf die Anforderungen, die nicht unter diese Verordnung fallen — gemäß den in Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG festgelegten einschlägigen Anforderungen für die Bewertung der Aspekte Resorption, Verteilung, Metabolismus, Ausscheidung, lokale Verträglichkeit, Toxizität, Wechselwirkungen mit anderen Produkten, Arzneimitteln oder sonstigen Stoffen sowie mögliche unerwünschte Reaktionen überprüft.

b) Bei Produkten oder ihren Metaboliten, die systemisch vom menschlichen Körper aufgenommen werden, um ihre Zweckbestimmung zu erfüllen, ersucht die Benannte Stelle darüber hinaus eine der von den Mitgliedstaaten benannten zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder die Europäische Arzneimittel-Agentur (im Folgenden jeweils als „konsultierte Arzneimittelbehörde“ bezeichnet, je nachdem, welche Stelle unter diesem Buchstaben konsultiert wurde) um ein wissenschaftliches Gutachten zu der Frage, ob mit dem Produkt die in Anhang I der Richtlinie 2001/83/EG festgelegten einschlägigen Anforderungen eingehalten werden.

c) Das Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde wird innerhalb von 150 Tagen nach Eingang aller erforderlichen Unterlagen erstellt.

d) Das wissenschaftliche Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die in diesem wissenschaftlichen Gutachten geäußerten Standpunkte und setzt die konsultierte Arzneimittelbehörde von ihrer abschließenden Entscheidung in Kenntnis.

6. Chargenuntersuchung bei Produkten, zu deren integralen Bestandteilen ein Stoff gehört, der für sich allein genommen als ein aus menschlichem Blut oder Plasma gewonnenes Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Absatz 8 gelten würde

Nach Beendigung der Herstellung jeder Charge des Produkts, zu dessen integralen Bestandteilen ein Arzneimittel gehört, das für sich allein genommen als ein aus menschlichem Blut oder Plasma gewonnenes Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Absatz 8 UnterAbsatz 1 gelten würde, unterrichtet der Hersteller die Benannte Stelle über die Freigabe dieser Charge des Produkts und übermittelt ihr die von einem staatlichen oder einem zu diesem Zweck von einem Mitgliedstaat benannten Laboratorium gemäß Artikel 114 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG ausgestellte amtliche Bescheinigung über die Freigabe der Charge des in diesem Produkt verwendeten Derivats aus menschlichem Blut oder Plasma.

Stand: 13. März 2023