MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Kapitel I: Qualitätsmanagementsystem

1. Der Hersteller richtet ein Qualitätsmanagementsystem gemäß Artikel 10 Absatz 9 ein, das er dokumentiert und umsetzt und für dessen Wirksamkeit während des gesamten Lebenszyklus der betroffenen Produkte er Sorge trägt. Der Hersteller gewährleistet die Anwendung des Qualitätsmanagementsystems nach Maßgabe des Abschnitts 2; er unterliegt Audits gemäß den Abschnitten 2.3 und 2.4 sowie der Überwachung gemäß Abschnitt 3.

2. Bewertung des Qualitätsmanagementsystems

2.1. Der Hersteller beantragt bei einer Benannten Stelle die Bewertung seines Qualitätsmanagementsystems. Der Antrag enthält

  • den Namen des Herstellers und die Anschrift seiner eingetragenen Niederlassung und etwaiger weiterer Fertigungsstätten, die Teil des Qualitätsmanagementsystems sind, und wenn der Antrag des Herstellers durch seinen Bevollmächtigten eingereicht wird, auch den Namen des Bevollmächtigten und die Anschrift der eingetragenen Niederlassung des Bevollmächtigten,
  • alle einschlägigen Angaben über die Produkte oder die Produktgruppen, die Gegenstand des Qualitätsmanagementsystems sind,
  • eine schriftliche Erklärung, dass bei keiner anderen Benannten Stelle ein Parallelantrag zu demselben Qualitätsmanagementsystem für dieses Produkt eingereicht wurde, oder Informationen über etwaige frühere Anträge zu demselben Qualitätsmanagementsystem für dieses Produkt,
  • den Entwurf einer EU-Konformitätserklärung gemäß Artikel 19 und Anhang IV für das von dem Konformitätsbewertungsverfahren erfasste Produktmodell,
  • die Dokumentation über das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers,
  • eine dokumentierte Beschreibung der vorhandenen Verfahren zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Qualitätsmanagementsystem ergeben und die in dieser Verordnung vorgeschrieben sind, und die Zusicherung des betreffenden Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • eine Beschreibung der vorhandenen Verfahren, mit denen sichergestellt wird, dass das Qualitätsmanagementsystem geeignet und wirksam bleibt, und die Zusicherung des Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • die Dokumentation über das System des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen und gegebenenfalls über den Plan für die klinische Nachbeobachtung und die Verfahren, mit denen die Einhaltung der Verpflichtungen sichergestellt wird, die sich aus den in den Vigilanz-Bestimmungen gemäß den Artikeln 87 bis 92 ergeben,
  • eine Beschreibung der zur Aktualisierung des Systems zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen eingesetzten Verfahren und gegebenenfalls des Plans für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen und der Verfahren, mit denen die Einhaltung der Verpflichtungen sichergestellt wird, die sich aus den in den Artikeln 87 bis 92 dargelegten Vigilanz-Bestimmungen ergeben, sowie die Zusicherung des Herstellers, diese Verfahren anzuwenden,
  • die Dokumentation über den Plan für die klinische Bewertung und
  • eine Beschreibung der vorhandenen Verfahren für die Aktualisierung des Plans für die klinische Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands der Technik.

2.2. Durch die Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems wird die Einhaltung dieser Verordnung sichergestellt. Alle Einzelheiten, Anforderungen und Vorkehrungen, die der Hersteller für sein Qualitätsmanagementsystem zugrunde legt, werden in Form eines Qualitätshandbuchs und schriftlicher Grundsätze und Verfahren wie etwa Qualitätssicherungsprogramme, -pläne und -berichte systematisch und geordnet dokumentiert.

Darüber hinaus umfassen die für die Bewertung des Qualitätsmanagementsystems eingereichten Unterlagen eine angemessene Beschreibung insbesondere der folgenden Aspekte:

a) Qualitätsziele des Herstellers;

b) Organisation des Unternehmens, insbesondere

  • organisatorischer Aufbau mit der Verteilung der Zuständigkeiten des Personals hinsichtlich kritischer Verfahren, Zuständigkeiten und organisatorischer Befugnisse des Managements,
  • Methoden zur Überwachung, ob das Qualitätsmanagementsystem effizient funktioniert und insbesondere ob es sich zur Sicherstellung der angestrebten Auslegungs- und Produktqualität eignet, einschließlich der Kontrolle über nichtkonforme Produkte,
  • falls Auslegung, Herstellung und/oder abschließende Prüfung und Erprobung der Produkte oder von Teilen dieser Verfahren durch eine andere Partei erfolgen: Methoden zur Überwachung, ob das Qualitätsmanagementsystem effizient funktioniert und insbesondere Art und Umfang der Kontrollen, denen diese Partei unterzogen wird, und
  • falls der Hersteller keine eingetragene Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat, den Mandatsentwurf für die Benennung eines Bevollmächtigten und eine Absichtserklärung des Bevollmächtigten, das Mandat anzunehmen;

c) Verfahren und Techniken zur Überwachung, Überprüfung, Validierung und Kontrolle der Produktauslegung und die entsprechende Dokumentation sowie die aus diesen Verfahren und Techniken hervorgehenden Daten und Aufzeichnungen. Diese Verfahren und Techniken haben speziell Folgendes zum Gegenstand:

  • das Konzept zur Einhaltung der Regulierungsvorschriften, einschließlich der Prozesse zur Feststellung der einschlägigen rechtlichen Anforderungen, Qualifizierung, Klassifizierung, Handhabung von Gleichartigkeit, Wahl und Einhaltung der Konformitätsbewertungsverfahren,
  • die Bestimmung geltender grundlegender Sicherheits- und Leistungsanforderungen und Lösungen für die Erfüllung dieser Anforderungen unter Berücksichtigung anwendbarer GS und — sofern diese Option gewählt wurde — harmonisierter Normen oder anderer geeigneter Lösungen,
  • das Risikomanagement gemäß Anhang I Abschnitt 3,
  • die klinische Bewertung gemäß Artikel 61 und Anhang XIV einschließlich der klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen,
  • die Lösungen für die Erfüllung der relevanten spezifischen Anforderungen an Auslegung und Herstellung einschließlich einer geeigneten vorklinischen Bewertung, insbesondere der Anforderungen gemäß Anhang I Kapitel II,
  • die Lösungen für die Erfüllung der relevanten spezifischen Anforderungen an die zusammen mit dem Produkt zu liefernden Informationen, insbesondere der Anforderungen gemäß Anhang I Kapitel III,
  • die Verfahren zur Produktidentifizierung, die anhand von Zeichnungen, Spezifikationen oder sonstigen einschlägigen Unterlagen auf jeder Herstellungsstufe festgelegt und auf dem neuesten Stand gehalten werden, und
  • die Handhabung von Änderungen der Auslegung oder des Qualitätsmanagementsystems und

d) Qualitätssicherungs- und Kontrolltechniken auf der Ebene der Herstellung, insbesondere die speziell bei der Sterilisation zu verwendenden Verfahren und Methoden, sowie die relevanten Unterlagen; und

e) geeignete Versuche und Prüfungen, die vor, während und nach der Herstellung vorzunehmen sind, die Häufigkeit, mit der sie durchzuführen sind, und die zu verwendenden Prüfgeräte; die Kalibrierung dieser Prüfgeräte wird so vorgenommen, dass sie angemessen nachvollziehbar ist.

Außerdem gewährt der Hersteller der Benannten Stelle Zugang zu der in den Anhängen II und III genannten technischen Dokumentation.

2.3. Audit

Die Benannte Stelle führt ein Audit des Qualitätsmanagementsystems durch, um festzustellen, ob es den Anforderungen nach Abschnitt 2.2 entspricht. Wendet der Hersteller eine harmonisierte Norm oder eine Spezifikation für Qualitätsmanagementsysteme an, so bewertet die Benannte Stelle die Konformität mit diesen Normen oder dieser Spezifikation. Die Benannte Stelle geht davon aus, dass ein Qualitätsmanagementsystem, das den einschlägigen harmonisierten Normen oder Spezifikationen genügt, auch die von diesen Normen oder Spezifikationen erfassten Anforderungen erfüllt, sofern sie nicht hinreichend begründet, dass dies nicht der Fall ist.

Mindestens ein Mitglied des Auditteams der Benannten Stelle verfügt über Erfahrung mit der Bewertung der betreffenden Technologie gemäß Anhang VII Abschnitte 4.3 bis 4.5. Ist diese Erfahrung nicht ohne Weiteres ersichtlich oder anwendbar, liefert die Benannte Stelle eine dokumentierte Begründung für die Zusammensetzung dieses Teams. Das Bewertungsverfahren schließt ein Audit an den Betriebsstätten des Herstellers und gegebenenfalls den Betriebsstätten der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer ein, um die Herstellung und weitere relevante Prozesse zu überprüfen.

Darüber hinaus wird bei Produkten der Klassen IIa und IIb zusammen mit der Bewertung des Qualitätsmanagementsystems auch eine Bewertung der technischen Dokumentation für auf einer repräsentativen Basis ausgewählte Produkte gemäß Abschnitt 4 vorgenommen. Bei der Auswahl repräsentativer Stichproben berücksichtigt die Benannte Stelle die von der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte gemäß Artikel 105 ausgearbeiteten veröffentlichten Leitlinien und insbesondere die technologische Neuartigkeit, Ähnlichkeiten in der Auslegung, Technologie, Herstellungs- und Sterilisationsverfahren, die Zweckbestimmung und die Ergebnisse aller relevanten früheren Bewertungen z. B. im Hinblick auf die physikalischen, chemischen, biologischen oder klinischen Eigenschaften, die gemäß dieser Verordnung durchgeführt wurden. Die betreffende Benannte Stelle dokumentiert ihre Begründung für die gewählten Stichproben.

Falls das Qualitätsmanagementsystem den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Qualitätsmanagementbescheinigung aus. Die Benannte Stelle teilt dem Hersteller ihre Entscheidung zur Ausstellung der Bescheinigung mit. Die Entscheidung enthält auch die Ergebnisse des Audits und einen mit Gründen versehenen Bericht.

2.4. Der betreffende Hersteller informiert die Benannte Stelle, die das Qualitätsmanagementsystem genehmigt hat, über geplante wesentliche Änderungen am Qualitätsmanagementsystem oder der hiervon erfassten Produktpalette. Die Benannte Stelle bewertet die vorgeschlagenen Änderungen, stellt fest, ob zusätzliche Audits erforderlich sind, und prüft, ob das Qualitätsmanagementsystem nach diesen Änderungen den Anforderungen gemäß Abschnitt 2.2 noch entspricht. Sie informiert den Hersteller über ihre Entscheidung und übermittelt ihm dabei die Ergebnisse der Bewertung und gegebenenfalls die Ergebnisse der zusätzlichen Audits. Die Genehmigung einer wesentlichen Änderung am Qualitätsmanagementsystem oder der hiervon erfassten Produktpalette wird in Form eines Nachtrags zur EU-Qualitätsmanagementbescheinigung erteilt.

3. Überwachungsbewertung

3.1. Mit der Überwachung soll sichergestellt werden, dass der Hersteller die Verpflichtungen, die sich aus dem genehmigten Qualitätsmanagementsystem ergeben, ordnungsgemäß einhält.

3.2. Der Hersteller gestattet der Benannten Stelle die Durchführung aller erforderlichen Audits, einschließlich Vor-Ort-Audits, und stellt ihr alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung, insbesondere:

  • die Dokumentation über sein Qualitätsmanagementsystem,
  • die Dokumentation über alle Erkenntnisse und Ergebnisse, die bei der Anwendung des Plans zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen einschließlich des Plans für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen bei einer repräsentativen Stichprobe von Produkten und der in den Artikeln 87 bis 92 festgelegten Vigilanz-Bestimmungen gewonnen wurden,
  • die Daten, die in dem die Auslegung betreffenden Teil des Qualitätsmanagementsystems vorgesehen sind, wie z.B. Ergebnisse von Analysen, Berechnungen, Tests und für das Risikomanagement gewählte Lösungen gemäß Anhang I Abschnitt 4,
  • die Daten, die in dem die Herstellung betreffenden Teil des Qualitätsmanagementsystems vorgesehen sind, wie z.B. Qualitätskontrollberichte, Prüf- und Eichdaten und Aufzeichnungen über die Qualifikation des betreffenden Personals usw.

3.3. Die Benannten Stellen führen regelmäßig — mindestens alle 12 Monate — geeignete Audits und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der betreffende Hersteller das genehmigte Qualitätsmanagementsystem und den Plan zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen anwendet. Diese Audits und Bewertungen schließen Audits in den Betriebsstätten des Herstellers und gegebenenfalls den Betriebsstätten der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer ein. Bei diesen Vor-Ort-Audits prüft die Benannte Stelle erforderlichenfalls, ob das Qualitätsmanagementsystem ordnungsgemäß funktioniert, oder lässt solche Prüfungen durchführen. Die Benannte Stelle stellt dem Hersteller einen Bericht über die Überwachungsaudits und gegebenenfalls über die vorgenommenen Prüfungen zur Verfügung.

3.4. Die Benannte Stelle führt nach dem Zufallsprinzip — mindestens einmal alle fünf Jahre — am Standort des Herstellers und gegebenenfalls der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunternehmer unangekündigte Audits durch, die mit der regelmäßigen Überwachungsbewertung gemäß Abschnitt 3.3 kombiniert oder zusätzlich zu dieser Überwachungsbewertung durchgeführt werden können. Die Benannte Stelle erstellt einen Plan für diese unangekündigten Vor-Ort-Audits, den sie dem Hersteller jedoch nicht mitteilt.

Im Rahmen solcher unangekündigten Vor-Ort-Audits prüft die Benannte Stelle eine angemessene Stichprobe der hergestellten Produkte oder eine angemessene Stichprobe aus dem Herstellungsprozess, um festzustellen, ob das hergestellte Produkt mit der technischen Dokumentation übereinstimmt, mit Ausnahme der in Artikel 52 Absatz 8 UnterAbsatz 2 genannten Produkte. Vor den unangekündigten Vor-Ort-Audits legt die benannte Behörde die relevanten Probenahmekriterien und das Testverfahren fest.

Anstelle oder zusätzlich zu der in UnterAbsatz 2 genannten Stichprobe stellt die Benannte Stelle Stichproben von auf dem Markt vorhandenen Produkten zusammen, um zu prüfen, ob das hergestellte Produkt mit der technischen Dokumentation übereinstimmt, mit Ausnahme der in Artikel 52 Absatz 8 UnterAbsatz 2 genannten Produkte. Vor Zusammenstellung der Stichprobe legt die betreffende benannte Behörde die relevanten Probenahmekriterien und das Testverfahren fest.

Die Benannte Stelle übermittelt dem betreffenden Hersteller einen Bericht über das Vor-Ort-Audit, in dem gegebenenfalls das Ergebnis der Stichprobenprüfung enthalten ist.

3.5. Bei Produkten der Klassen IIa und IIb umfasst die Überwachungsbewertung zudem eine Bewertung der technischen Dokumentation des betreffenden Produkts oder der betreffenden Produkte gemäß Abschnitten 4 auf der Grundlage weiterer repräsentativer Stichproben, die in Übereinstimmung mit der von der benannten Behörde gemäß dem Abschnitt 2.3 Absatz 3 dokumentierten Begründung ausgewählt werden.

Bei Produkten der Klasse III umfasst die Überwachungsbewertung zudem eine Prüfung der genehmigten Teile und/oder Materialien, die für die Unversehrtheit des Produkts unerlässlich sind, einschließlich gegebenenfalls einer Überprüfung, ob die Mengen der hergestellten oder beschafften Teile und/oder Materialien den Mengen der fertigen Produkte entsprechen.

3.6. Die Benannte Stelle stellt sicher, dass das Bewertungsteam so zusammengesetzt ist, dass es Erfahrung mit der Bewertung der betreffenden Produkte, Systeme und Verfahren und fortwährende Objektivität und Neutralität aufweist; dazu gehört ein turnusmäßiger Wechsel der Mitglieder des Bewertungsteams in angemessenen Zeitabständen. Ein leitender Prüfer sollte generell nicht länger als drei Jahre in Folge Audits bei demselben Hersteller leiten bzw. sich an diesen beteiligen.

3.7. Stellt die Benannte Stelle Abweichungen zwischen der aus den hergestellten Produkten oder vom Markt entnommenen Stichprobe und den in der technischen Dokumentation oder der genehmigten Auslegung beschriebenen Spezifikationen fest, so setzt sie die jeweilige Bescheinigung aus, widerruft sie oder versieht sie mit Einschränkungen.

Stand: 13. März 2023