MEDIZIN­PRODUKTE

IN-VITRO-DIAGNOSTIKA

Kapitel II: Bewertung der technischen Dokumentation

4. Bewertung der technischen Dokumentation der Produkte der Klassen B, C und D und Chargenuntersuchung bei Produkten der Klasse D

4.1.   Zusätzlich zu der Verpflichtung gemäß Abschnitt 2 stellt der Hersteller von Produkten der Klasse D bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation für das Produkt, das er auf den Markt zu bringen oder in Betrieb zu nehmen beabsichtigt und das unter das Qualitätsmanagementsystem gemäß Abschnitt 2 fällt.

4.2.   Aus dem Antrag gehen die Auslegung, die Herstellung und die Leistung des betreffenden Produkts hervor. Er umfasst die technische Dokumentation gemäß den Anhängen II und III.

Bei Produkten zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests umfasst der Antrag zudem die in Abschnitt 5.1 Buchstabe b genannten Elemente.

4.3.   Die Benannte Stelle setzt zur Prüfung der technischen Dokumentation Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der Bewertung der betreffenden Technologien und Produkte und der Bewertung des klinischen Nachweises verfügt. Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch zusätzliche Tests oder weitere Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den maßgeblichen Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann. Die Benannte Stelle führt angemessene physische Kontrollen oder Laboruntersuchungen bezüglich des Produkts durch oder fordert den Hersteller zur Durchführung solcher Tests auf.

4.4.   Die Benannte Stelle überprüft die vom Hersteller im Rahmen des Berichts über die Leistungsbewertung vorgelegten Daten zum klinischen Nachweis und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Leistungsbewertung. Für die Zwecke dieser Überprüfung setzt die Benannte Stelle bei ihr beschäftigte Produktprüfer mit ausreichendem klinischen Fachwissen ein; dazu gehören auch externe klinische Experten mit unmittelbarer aktueller Erfahrung im Zusammenhang mit der klinischen Anwendung des betreffenden Produkts.

4.5.   Stützt sich der klinische Nachweis ganz oder teilweise auf Daten zu Produkten, die als gleichwertig mit dem zu bewertenden Produkt dargestellt werden, so prüft die Benannte Stelle unter Berücksichtigung von Faktoren wie neuen Indikationen oder Innovationen, ob die Verwendung dieser Daten angemessen ist. Sie dokumentiert eindeutig ihre Ergebnisse hinsichtlich der behaupteten Gleichartigkeit sowie der Relevanz und Eignung der Daten für einen Konformitätsnachweis.

4.6.   Die Benannte Stelle überprüft die Angemessenheit des klinischen Nachweises und der Leistungsbewertung sowie die Ergebnisse, zu denen der Hersteller hinsichtlich der Konformität mit den einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gelangt ist. Überprüft werden dabei unter anderem die Angemessenheit der Nutzen-Risiko-Abwägung, das Risikomanagement, die Gebrauchsanweisung, die Schulung der Anwender und der Plan des Herstellers zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen sowie gegebenenfalls die Frage, ob der vorgeschlagene Plan für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen notwendig und angemessen ist.

4.7.   Die Benannte Stelle prüft auf der Grundlage ihrer Beurteilung des klinischen Nachweises die Leistungsbewertung und die Nutzen-Risiko-Abwägung sowie die Frage, ob konkrete Etappenziele festgelegt werden müssen, um ihr eine Überprüfung von Aktualisierungen des klinischen Nachweises, die sich aus den Daten aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen und der Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen ergeben, zu ermöglichen.

4.8.   Die Benannte Stelle dokumentiert das Ergebnis ihrer Bewertung klar und deutlich in dem Bericht über die Begutachtung der Leistungsbewertung.

4.9.   Vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ersucht die Benannte Stelle ein gemäß Artikel 100 benanntes EU-Referenzlaboratorium zu überprüfen, ob das Produkt die vom Hersteller angegebene Leistung erbringt und den GS, sofern solche existieren, oder anderen vom Hersteller gewählten Lösungen entspricht, die ein mindestens gleichwertiges Sicherheits- und Leistungsniveau gewährleisten. Die Überprüfung umfasst u. a. Laboruntersuchungen des EU-Referenzlaboratoriums gemäß Artikel 48 Absatz 5.

Darüber hinaus konsultiert die Benannte Stelle in den in Artikel 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung genannten Fällen die einschlägigen Experten gemäß Artikel 106 der Verordnung (EU) 2017/745 nach dem Verfahren des Artikels 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung zum Bericht des Herstellers über die Leistungsbewertung.

Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

Das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums und gegebenenfalls die Standpunkte der gemäß dem Verfahren nach Artikel 48 Absatz 6 konsultierten Experten sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums und gegebenenfalls die Standpunkte der gemäß Artikel 48 Absatz 6 konsultierten Experten. Die Benannte Stelle stellt keine Bescheinigung aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums negativ ist.

4.10.   Die Benannte Stelle übermittelt dem Hersteller einen Bericht über die Bewertung der technischen Dokumentation einschließlich eines Berichts über die Begutachtung der Leistungsbewertung. Falls das Produkt den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus. Die Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Bewertung der technischen Dokumentation, die Bedingungen für die Gültigkeit der Bescheinigung, die zur Identifizierung des genehmigten Produkts erforderlichen Angaben sowie gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.

4.11.   Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn diese Änderungen die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten. Plant der Hersteller, derartige Änderungen vorzunehmen, so teilt er dies der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, mit. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm, sofern die Änderungen genehmigt wurden, einen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus.

Beeinträchtigen die Änderungen möglicherweise die Einhaltung der GS oder anderer vom Hersteller gewählten Lösungen, die mit der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation genehmigt wurden, so konsultiert die Benannte Stelle das EU-Referenzlaboratorium, das an der ursprünglichen Konsultation beteiligt war, um zu bestätigen, dass die Einhaltung der GS oder anderer vom Hersteller zur Gewährleistung eines diesen mindestens gleichwertigen Sicherheits- und Leistungsniveaus gewählten Lösungen aufrechterhalten wird.

Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

4.12.   Zur Überprüfung der Konformität von hergestellten Produkten der Klasse D führt der Hersteller Prüfungen jeder einzelnen Produktcharge, die hergestellt wurde, durch. Nach Beendigung der Kontrollen und Prüfungen übermittelt er der Benannten Stelle umgehend die einschlägigen Prüfberichte. Darüber hinaus stellt der Hersteller der Benannten Stelle die Stichproben der hergestellten Produktchargen gemäß vorher vereinbarten Bedingungen und detaillierten Vorkehrungen zur Verfügung; dies umfasst, dass die Benannte Stelle oder der Hersteller dem EU-Referenzlaboratorium, falls ein solches Laboratorium gemäß Artikel 100 benannt wurde, Stichproben der hergestellten Produktchargen übermittelt, damit dieses entsprechende Tests durchführt. Das EU-Referenzlaboratorium informiert die Benannte Stelle über seine Feststellungen.

4.13.   Der Hersteller kann die Produkte in Verkehr bringen, es sei denn, dass die Benannte Stelle ihm innerhalb der vereinbarten Frist, spätestens jedoch 30 Tage nach Eingang der Stichproben, eine andere Entscheidung — insbesondere in Bezug auf die Bedingungen für die Gültigkeit der ausgestellten Bescheinigung — mitteilt.

5. Bewertung der technischen Dokumentation für besondere Produktarten

5.1. Bewertung der technischen Dokumentation für Produkte der Klassen B, C und D zur Eigenanwendung und für patientennahe Tests

a) Der Hersteller von Produkten zur Eigenanwendung und von Produkten für patientennahe Tests der Klassen B, C und D stellt bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation.

b) Der Antrag enthält eine verständliche Darstellung der Auslegung der Merkmale und Leistung(en) des Produkts und ermöglicht eine Bewertung der Konformität mit den auslegungsbezogenen Anforderungen dieser Verordnung. Der Antrag enthält Folgendes:

i) Testberichte, einschließlich der Ergebnisse von mit vorgesehenen Anwendern durchgeführten Studien;

ii) soweit möglich, ein Exemplar des Produkts; bei Bedarf wird das Produkt nach Beendigung der Bewertung der technischen Dokumentation zurückgegeben;

iii) Angaben, die die Eignung des Produkts im Hinblick auf seine Zweckbestimmung zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests belegen;

iv) die Angaben, die auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung des Produkts anzubringen sind.

Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch Durchführung weiterer Tests oder Vorlage weiterer Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann.

c) Die Benannte Stelle überprüft, ob das Produkt den in Anhang I dieser Verordnung aufgeführten einschlägigen Anforderungen entspricht.

d) Die Benannte Stelle setzt zur Bewertung des Antrags bei ihr beschäftigtes Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der betreffenden Technologie und der Zweckbestimmung des Produkts verfügt, und übermittelt dem Hersteller einen EU-Bericht über die Bewertung der technischen Dokumentation.

e) Falls das Produkt den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus. Die Bescheinigung enthält die Ergebnisse der Bewertung, die Bedingungen für ihre Gültigkeit, die zur Identifizierung der genehmigten Produkte erforderlichen Angaben sowie gegebenenfalls eine Beschreibung der Zweckbestimmung des Produkts.

f) Änderungen an dem genehmigten Produkt müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn sie die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts oder die für das Produkt vorgeschriebenen Anwendungsbedingungen beeinträchtigen könnten. Plant der Hersteller, derartige Änderungen vorzunehmen, so teilt er dies der Benannten Stelle, die die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt hat, mit. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm, sofern die Änderungen genehmigt wurden, einen Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation aus.

5.2. Bewertung der technischen Dokumentation bei therapiebegleitenden Diagnostika

a) Der Hersteller eines therapiebegleitenden Diagnostikums stellt bei der Benannten Stelle einen Antrag auf Bewertung der technischen Dokumentation. Die Benannte Stelle bewertet den Antrag gemäß dem Verfahren nach den Abschnitten 4.1 bis 4.8 dieses Anhangs.

b) Der Antrag enthält eine verständliche Darstellung der Merkmale und Leistung des Produkts und ermöglicht eine Bewertung der Konformität mit den auslegungsbezogenen Anforderungen dieser Verordnung, insbesondere im Hinblick auf die Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel.

c) Vor Ausstellung einer EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation für das therapiebegleitende Diagnostikum und auf der Grundlage des Entwurfs des Kurzberichts über Sicherheit und Leistung sowie des Entwurfs der Gebrauchsanweisung ersucht die Benannte Stelle eine der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/83/EG benannten zuständigen Behörden oder die EMA (im Folgenden in diesem Abschnitt jeweils als „konsultierte Arzneimittelbehörde“ bezeichnet, je nachdem, welche Stelle unter diesem Buchstaben konsultiert wurde) um ein wissenschaftliches Gutachten zur Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel. Fällt das Arzneimittel ausschließlich in den Geltungsbereich des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), so holt die Benannte Stelle ein Gutachten der EMA ein. Ist das betreffende Arzneimittel bereits zugelassen oder wurde ein Antrag auf seine Zulassung eingereicht, so konsultiert die Benannte Stelle die Arzneimittelbehörde, die für die Zulassung zuständig ist, oder die EMA.

d) Die Arzneimittelbehörde legt innerhalb von 60 Tagen nach Eingang aller notwendigen Unterlagen ihr Gutachten vor. Diese Frist von 60 Tagen kann einmal aus berechtigten Gründen um weitere 60 Tage verlängert werden. Die Stellungnahme sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Unterlagen aufgenommen, die die Benannte Stelle zu dem Produkt führt.

e) Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die wissenschaftliche Stellungnahme gemäß Buchstabe d. Die Benannte Stelle teilt ihre endgültige Entscheidung der konsultierten Arzneimittelbehörde mit. Die EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation wird gemäß Abschnitt 5.1 Buchstabe e ausgestellt.

f) Vor der Umsetzung von Änderungen, die sich auf die Leistung und/oder bestimmungsgemäße Verwendung und/oder Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel auswirken, informiert der Hersteller die Benannte Stelle über die Änderungen. Die Benannte Stelle bewertet die geplanten Änderungen und entscheidet, ob diese eine neue Konformitätsbewertung gemäß Artikel 48 erforderlich machen oder ob ein Nachtrag zu der EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation ausgestellt werden könnte. In letzterem Fall bewertet die Benannte Stelle die Änderungen und holt ein Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde ein. Die konsultierte Arzneimittelbehörde übermittelt ihr Gutachten innerhalb von 30 Tagen nach Eingang aller notwendigen Unterlagen zu den Änderungen. Ein Nachtrag zur EU-Bescheinigung über die Bewertung der technischen Dokumentation wird gemäß Abschnitt 5.1 Buchstabe f ausgestellt.

Stand: 13. März 2023